Waldgeister, Feuerwarane, Bäume, heilige Blüten und die Nominierung zum Spiel des Jahres – ganz klar, „Living Forests“ war für mich der Pflichtkauf auf der Spiel doch in Dortmund aka Duisburg. Und da man mit dem Titel auch an nahezu jedem Stand erschlagen wurde, war das Erstehen desselben das geringste Problem. Leichte Befürchtungen hatte ich, dass ich den häuslichen Mitspieler (und Mitkritiker) für eine schnelle erste Partie begeistern kann. Und was soll ich sagen? Er war äußerst angetan, Thema und Mechanik stießen sofort auf Interesse.
Und hübsch ist es, das Werk aus dem Hause Pegasus. Keine Frage. Als Waldgeist möchte man als erster eine von drei möglichen Siegbedingungen erfüllen. Entweder zwölf Feuer löschen. oder aber zwölf unterschiedliche Bäume pflanzen oder – und dieser Weg wird von unerfahrenen Spielern zunächst unterschützt – zwölf heilige Blumen sammeln. Dem Spiel wird zuweilen vorgeworfen, nicht genug ausbalanciert zu sein. Der Weg des Feuers wäre zu stark. Das stimmt aber nicht, denn was sich im Spiel zu zweit andeutet, bestätigt sich spätestens in der Runde von drei oder vier Kontrahenten. Der Weg des Feuerlöschens ist nur dann zu leicht, wenn der Rest der Truppe schläft und den Löschenden einfach gewähren lässt.
Und genau hier liegt der Reiz des Spiels. Das eigene Ziel zu verfolgen, ohne die Absichten der Gegner zu vernachlässigen. Wer Tiere kauft – nur diese bringen Boni, lassen leichter Bäume pflanzen oder Feuer löschen oder weisen schlicht heilige Blumen, also Siegpunkte, auf – der legt schlicht kleine Waldbrände. Tut man dies nicht, dann gibt es auch nix zu löschen. Aber eben auch keine Tiere für das eigene Deck. Ein Dilemma, das Living Forest zu einem höchst konfrontativen Spiel macht, in dem man sich nur wenig etwas wegnimmt, sondern vielmehr sich Möglichkeiten verbaut oder diese schlicht gar nicht erst eröffnet.
Aber was tun wir denn nun genau? Wir betreiben Deckbuildung. Im Kern ist Living Forest ein Deckbuilder kombiniert mit Push-your-luck-Element. Unser Startdeck enthält viele Einzelgänger. Drei davon darf man ziehen, dann endet der Spielzug sofort. Grundsätzlich kann jeder Spieler so viele Karten aufdecken, wie er mag, aber bei drei Einzelgängern ist Schluss. Es sei den, es man zieht eines der wertvollen Tiere mit Geselligkeitssymbol, die ein Einzelgängersymbol aufheben. Diese muss man aber erst einmal teuer kaufen. Hat man drei Einzelgängersymbole aufgedeckt, hat man im eigenen Spielzug lediglich eine von fünf unterschiedlichen Aktionen. Hat man es bei zwei Einzelgängersymbolen belassen und hört vorher auf, dann darf man derer zwei wählen. Dazu kommen Karten, ohne ein solches Symbol. Alle Karten bringen Vorteile – sie gewähren zum Beispiel Wasser zum Flammen löschen oder erhöhen den Wert, für den man Tiere kaufen kann. Sie können aber auch einen Malus vorweisen, so könnte sich der Wert, für den man Bäume kaufen kann, verringern.
Es zählt immer genau das, was ausliegt – also auf Tierkarten oder auf dem eigenen Tableau, auf dem die gekauften Bäume platziert werden. Und auch diese bringen wieder Boni wie heilige Blumen, mehr Wassertropfen oder zusätzliche Schritte auf dem Steinkreis. Auf diesem tummeln sich unsere Spielfiguren, lösen durch Erreichen von Feldern erneut Boni aus oder überholen Mitspieler und klauen diesen wertvolle Spezialplättchen, die oft das Zünglein an der Waage in der finalen Abrechnung sind.
Und dann gibt es da noch die Feuerwarane und die magischen Blätter. Feuerwarane mag wirklich niemand, denn diese können gar nicht, außer dass die über ein Einzelgängersymbol verfügen. Landet ein solcher im Deck – in erster Linie weil man das Feuer in der Mitte zum Ende der Runde nicht löschen konnte – verstopft er es und führt im schlimmsten Fall zum zügigen Ende der eigenen Runde. Will man einen Waran wieder loswerden, benötigt man magische Blätter. Diese erhält man über Felder auf dem Steinkreis, über Platzierungsboni auf dem Plateau oder ganz schnöde als eigene einzelne Aktion. Mit den Blättern lässt sich nicht nur ein Waran eliminieren, sondern auch eine beliebige just gezogene Karte auf den Ablagestapel legen und neu ziehen. Wertvoll, wenn dann doch plötzlich ein unerwünschter Einzelgänger auftaucht.
„Living Forest“ kommt sehr putzig daher. Wirklich ganz zuckersüß. Die Waldgeister, die Tiere, das Artwork, der Startspielerbaum, das alles schreit nach Familienspiel. Und dann passiert das, was wohl auch die Auszeichnung als Kennerspiel des Jahres rechtfertigt. Es erweist sich als knallharter Kampf, der sich häufig äußerst knapp entscheidet. Hier den Überblick zu behalten ist gar nicht so leicht, und das Glücksmoment ist beherrschbar. Natürlich kann man sich vornehmen, auf Feuer oder Bäume zu schielen, aber wenn einem die Mitstreiter da einen Strich durch die Rechnung machen, muss flugs reagiert werden. Und wer den Marsch auf dem Steinkreis vernachlässigt, der erlebt vielleicht eine böse Überraschung.
Alles in allem ist „Living Forest“ für mich ein würdiger Preisträger. Gelegenheitsspieler sollten sich jedenfalls von der Optik nicht täuschen lassen. Ich jedenfalls werde das Spiel immer wieder gerne aus dem Regal nehmen.
Living Forest von Aske Christiansen
Pegasus Spiele
Für 2 bis 4 Spieler
Dauer: circa 60 Minuten
Preis: circa 40 Euro