Alubari

Ich bin erfreulicherweise Mitglied in einer großen Brettspielcommunity. Gut, groß für unsere Kleinstadtverhältnisse, aber immerhin. Sehr regelmäßig trifft man sich gerne mehrmals in der Woche, um Neuheiten auszuprobieren. Eine gute Gelegenheit, Perlen zu entdecken, die vielleicht sonst an einem vorbei geschippert wären.

Ich gebe zu, Alubari ist so ein Spiel. Es sagte mir gar nichts, außer dass es sich um ein Workerplacement-Spiel handelt. Und da bin ich ja immer aus dem Stand Feuer und Flamme und musste einfach mit ausprobieren. Tatsächlich folgte zunächst ein intensives Regelstudium, bei dem ich kurz vor der Verzweiflung stand. Zu vielfältig schienen mir die Möglichkeiten, zu komplex das Spiel für einen launigen Abend.

Aktionskarten geben die Möglichkeiten vor, die Arbeiter werden passend eingesetzt.

Doch da probieren ja über studieren geht, machten wir uns unverzagt ans Werk. Und tatsächlich entpuppte sich Alubari schnell als zwar fordernd, aber nicht zu komplex. Wobei es einem das Regelheft nicht immer leicht macht. Speziell in zwei Punkten kam es zu angeregten Diskussionen am Tisch und so mancher Mitspieler (ja, ok, ich auch) musste zum Zug gemahnt werden, weil der Kopf dann doch noch in der Anleitung steckte. Aber wir haben es mit Humor genommen und zum Anlass, direkt eine nächste Runde auszumachen. Denn, auch das wurde schnell klar, Alubari macht Laune, lässt sich aber nicht leicht erobern.

Dabei klaut es eigentlich nur Versatzstücke aus anderen Spielen zusammen, das aber dafür gut. So fühlte ich mich zum Beispiel ein klein wenig an meinen Liebling Marco Polo erinnert, wenn es darum geht, möglichst schnell einen Reisepunkt zu erreichen und die Siegpunkte dort einzustreichen. Denn einzig und allein darum geht es in Alubari – Siegpunkte sammeln bis der Schädel brummt. Das geschieht aber auf unfassbar vielfältige Art und Weise. Es gibt zig Strategien, um zum Erfolg zu kommen. Und keine – dies die gute Nachricht für Skeptiker – ist zu übermächtig.

Lokomotiven geben besondere Boni. Der zuverlässige Zug zum Beispiel kann nicht Opfer einer Ereigniskarte werden.

Geröll sammeln, Schienen bauen, Gebäude besetzen oder Aufträge erfüllen. Sie sehen, die Elemente sind nicht neu. Zwei oder bei guter Planung drei Arbeiter schaffen Rohstoffe ran, buddeln oder bauen. Je nach Gusto und Plan. Doch trägt das Spiel einen bedeutungsschwangeren Untertitel. „A nice cup of tea“ heißt es da, und hier liegt des Pudels Kern. Es gilt, Chai zu sammeln und so Extraaktionen oder eben jenen dritten Arbeiter zu aktivieren. Wertvolle Vorteile, deren Einsatz weise gewählt werden will. Denn nach guter alter Sitte kommt der zuerst, der in vorderster Front auf den Aktionskärtchen steht. Klaubt dieser den heiß ersehnten letzten Schutt aus der Grube, dann guckt der Nachbar womöglich in die Röhre. Oder in die leere Teetasse, denn auch der Chai kann ausgehen. Dann gilt es, Teeblätter zu ernten. Zwischenzeitlich wollen Schienen verlegt und Bahnhöfe erreicht werden, denn nur dort können Rohstoffe gegen Gebäude eingetauscht werden, die satte Punkte oder schöne Vorteile bringen. Das gute alte Dilemma: positioniere ich mich vorne und greife ab was geht, oder bleibe ich hinten und bin dafür in der nächsten Runde der Startspieler?

Wetterwechsel und eine eventuell fiese Anordnung von zufälligen Ereignissen können auch hier den Plan verhageln. Die Ereignisse zieht man genauso wie die zugänglichen Rohstoffe aus einem Beutel. Das Wetter, das massiv Einfluss auf Möglichkeiten und Erträge hat, wird ebenso zufällig via Karte bestimmt. Was sich frustierend anhört, ist aber genau das, was Alubari einzigartig und spaßig macht. Man kann sich schlicht nie sicher sein, dass alles so läuft, wie man es sorgsam durchdacht hat. Dennoch bleibt das Spiel gerade so vorhersehbar, dass kein unnötiger Frust aufkommt und nie etwas gänzlich scheitert. Anders als andere Genrevertretern ist man beim kleinsten Fehler nicht vom Start weg abgeschlagen, sondern kann immer noch die Taktik variieren. So habe ich mich in der ersten Partie zwar beim Schutt verplant, konnte aber durch geschicktes Kaufen von Zügen zumindest noch vorne mitmischen. Eben diese Züge geben Boni und, wie könnte es anders sein, Siegpunkte.

Unterwegs gilt es, Bahnhöfe zu erreichen und Gebäude zu bauen.

Erfrischend auch, dass man durch die zufälligen Ereignisse nicht nur gegen die Mitspieler, sondern immer auch ein wenig gegen das Spiel selbst spielt. Das trägt zur Immersion bei und bietet eine weitere Ebene, die man im Auge behalten muss.

Jeder, der zum ersten Mal zu Alubari greift, sollte viel Zeit einplanen. Sinnig ist es, der Premiere direkt eine zweite Runde folgen zu lassen. Denn es braucht sicher mehrere Durchläufe, um jede Möglichkeit zu erfassen und ein wenig Erfahrung darin zu bekommen, die einzelnen Aktionen gegeneinander abzuwägen. Das macht man aber gerne, denn Alubari ist nicht nur spielerisch gelungen, sondern auch optisch ein echter Hingucker. Alles passt, alles ist stimmig und schön gestaltet. Die Rohstoffe und Schienen sind hochwertig aus Holz gearbeitet, der Spielplan ist detailliert und die Karten liebevoll und in ihren Symbolen selbsterklärend. Lediglich einige Fragen zum Regelwerk dürfte der Verlag in einer neuen Auflage noch einmal deutlicher klären. Alubari ist dabei sicher kein Familienspiel, sondern ein Kennerspiel erster Güte.

Alubari von Tony Boydell

Studio H

2 bis 5 Personen

Dauer circa 90 Minuten

Preis circa 48 Euro