Bonsai

Einen Bonsaibaum zu kultivieren, ist eine Kunst für sich. Mit der richtigen Erde und regelmäßigem Gießen ist es nicht getan. Ein Bonsai verlangt viel Pflege und dankt es dem grünen Daumen mit einer prachtvollen Erscheinung in Miniaturformat. Und das Spiel „Bonsai“ bringt das Kunststück fertig, dass wir uns tatsächlich ganz genauso fühlen, als hätten wir einen echten kleinen Minibaum gezüchtet – nur eben aus Plättchen, die für Stamm, Blätter, Früchte und Blüten stehen.

Ziel der Übung ist es, durch geschickte Wahl von Karten die richtige Menge an Plättchen zu ergattern, die es einem erlauben, passend an das zunächst noch zarte Pflänzchen anzubauen. Dieses wächst und gedeiht vor unseren Augen. Wobei es gilt, tunlichst Regeln zu beachten, soll die Pracht am Ende auch noch reichlich Siegpunkte bringen. So mögen es Blüten gerne weit außen, möglichst ohne angrenzende Plättchen – vom tragenden Blatt einmal abgesehen. Und Früchte mögen keine anderen Früchte in direkter Nachbarschaft, dann punkten sie nicht.

Nun kann man bei Bonsai nicht nach Beliebten die vier Komponenten bauen, sondern muss sich an einer strengen Vorgabe auf dem Tableau orientieren. Zu Beginn sind es lediglich fünf Komponenten überhaupt in Summe lagerbar, von denen drei pro Runde verbaut werden dürfen. Mittels Werkzeug- und Wachstumskarten lässt sich das Limit im Lauf des Spiels steigern. Und das ist auch bitter nötig, um überhaupt im Rennen um den Sieg ein Wörtchen mitzureden.

Unser Bäumchen ist noch nicht allzu mächtig. Aber immerhin sind schon zwei Werkzeuge vorhanden, die die Lagerkapazität erhöhen.

Welche Komponenten wir erhalten, teils auch welche wir direkt verbauen können und wie wir an Hilfsmittel gelangen, das wird durch eine Kartenauslage gesteuert. Aus dieser Auslage wählen die Spieler eine jeweils vier Karten. Der Ort an sich bringt dann immer noch einen Bonus mit – je höher die Nummer in der Auslage, umso mehr wirft die Karte ab. So lässt sich mit der Karte auf Platz eins wahlweise ein Blatt oder ein Stamm nehmen. Je weiter die Karte nach rechts wandert – und das passiert immer, wenn eine anderen Karte genommen wird oder spätestens am Ende jeder Runde – desto wertvoller wird sie. So mag es klug sein, einen langen Atem zu haben und zu warten. Aber natürlich wollen auch die Mitspieler ihren Plan möglichst elegant umsetzen. So kann es klappen, dass eine Karte bis zum Ende der Reihe und damit zu maximalen Benefit wandert, muss es aber nicht. Ein kleines, aber feines Push-Your-Luck-Element in einem Spiel, das mechanisch zwar nicht allzu innovativ, aber elegant umgesetzt ist. Denn neben den bereits erwähnten Karten gibt es Multiplikatorkarten, die am Ende des Spiels Extrapunkte bringen. Für Blätter, Blüten, Stammteile und Früchte genauso wie für Wachstumskarten oder aber gesammelte Meister- und Gehilfenkarten. So ermöglicht es Bonsai durchaus, eine ganz eigene Strategie zu entwickeln, ohne dass es zu solitär wird. Denn immer muss man ein Auge auf das Tun der Rivalen haben, denn im Zweifel gönnt man diesen dann doch nicht die ideale Karte und greift eher selbst zu. Hier zu überlegen, welche Karte nun zu nehmen ist, ist reizvoll. Und trotzdem kommt keine Grübelstarre auf, dazu ist das Konzept zu fluffig.

Wer dann noch auf Zack ist, kann sich eines der für alle ausliegenden Bonusziele schnappen. Aber aus einer Auswahl von drei Varianten pro Ziel immer nur eins. So kann es sich lohnen, auf mehr Blätter zu warten oder bei einem Bonusplättchen zuzugreifen, das zwar weniger wert ist, aber dafür auch weniger Blätter voraussetzt. Wie so oft das Dilemma zwischen dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach.

Was Bonsai besonders macht ist das Thema, das wirklich gut umgesetzt wurde. Ich fühle mich wirklich wie ein Hobbygärtner, der seinen eigenen Bonsai hegt und pflegt. Es ist hübsch anzusehen, wie sich Blatt an Blatt reiht und man hat eine diebische Freude daran, wenn dann doch die Karte erhascht werden kann, die es einem ermöglicht, endlich eine Frucht an die passende Stelle zu bauen. Dabei schafft Bonsai den Spagat zwischen lockerem Spielspaß, für den sich auch Gelegenheitsspieler schon begeistern lassen und einer nicht allzu kniffligen, aber spaßigen Herausforderung, aus den Gegebenheiten die maximale Pflanzenpracht herauszuholen.

Bonsai ist eines der Spiele, das vielleicht keine Runde den ganzen Abend über trägt. Dafür ist eine Partie aber flott gespielt und wenn es abseits der Expertenkracher mal ein hübscher und zugänglicher Titel mit gut umgesetztem Thema sein darf, dann wandert Bonsai sicher immer wieder mal auf den Tisch. Es ist genau das, was es verspricht – ein äußerst solides Familienspiel. So, und jetzt genug geschrieben, die Sonne lacht und die Balkonpflanzen wollen gegossen werden.

Bonsai von Rosario Battiato, Massimo Borzi und Martino Chiacchiera
Kosmos
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: circa 45 Minuten
Preis: circa 35 Euro