Disney Villainous

„Ab mit dem Kopf“. Die Herzkönigin aus Alice im Wunderland ist in ihrem Element. Schließlich hat sich der Märzhase einfach in ihr Reich geschlichen, das kann sie nicht tolerieren. Tatsächlich erwischt es den armen Hasen und die Herzkönigin triumphiert. Nur noch wenige Karten ist sie vom Sieg entfernt, denn bei „Disney Villainous“ gewinnt das Böse. Immer.

Stellt sich nur die Frage, welcher Bösewicht am Ende die Nase vorn hat. Im Grundspiel rangeln Prinz John, Captain Hook, Dschafar, Ursula, Malificent und eben die Herzkönigin über die Vorherrschaft im Märchenreich. Die aus den Disneyfilmen bekannten guten und dort stets siegreichen Protagonisten wollen ihnen dabei als Helden in die Suppe spucken. Ob Peter Pan, Arielle oder der verrückte Hutmacher – mit dabei ist alles, was in Disneyworld Rang und Namen hat.

„Disney Villainous“ ist in erster Linie ein Kartenspiel, das aber versetzt ist mit weiteren Spielelementen. So können sich die Fieslinge auf einer Leiste mit je vier Orten mehr oder weniger frei bewegen und dort aus vier Aktionen wählen. Karten werden ausgespielt, die entweder ein Handlanger, ein Ereignis oder ein Gegenstand sind. Handlanger sind häufig Krieger, können aber auch andere Effekte mit sich bringen. Gegenstände bringen Boni oder Vorteile und Ereignisse erlauben zum Beispiel, einen Helden direkt zu besiegen. Dazu kommen Bedingungen, die jederzeit gespielt werden können, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind. Hat der Gegner zum Beispiel mindestens drei Handlanger ausliegen, bekomme ich Machtchips.

Diese dienen als Währung für die Karten oder – wie im Fall von Prinz John – auch als Siegbedingung. Denn in „Disney Villainous“ wird sich nicht einfach nur geprügelt. Jeder Bösewicht muss eine individuelle Siegbedingung erfüllen, die die Gegner zu vereiteln versuchen. Drei der Protagonisten machen sich das Leben etwas leichter als die anderen, sind also eher Einsteigerkcharaktere. So muss Prinz John 20 Machtchips anhäufen, Malificent an jedem der vier Orte einen Fluch platziert haben und die Herzkönigin an allen vier Orten aus ihren Wachen Krickettore gemacht und einen Abschlag erfolgreich absolviert haben. Die drei anderen Charaktere spielen sich erheblich komplexer. So muss zum Beispiel Captain Hook Peter Pan besiegen – und zwar auf der Jolly Roger. Da die Karten per Zufall aus einem Bösewicht- und einem Schicksalsstapel gezogen werden, kann es schon mal dauern, bis der freche Knirps sich zeigt.

Die Herzkönigin hat bereits ein Krickettor aufstellen können. Im
Haus des weissen Kaninchens kann sie eine Karte ausspielen, eine Aktion ausführen oder
den Gegner mit einer Schicksalskarten ärgern.
Einen Machtchip gibt es außerdem.

Die Bösewichtkarten helfen uns, unser Ziel zu erfüllen. Genau wie bei den Schicksalskarten hat jeder Charakter sein individuelles Deck. Die Schicksalskarten werden aber nicht von uns selbst, sondern von den Gegner gespielt. Auch hierfür gibt es einen Aktionsort auf der Leiste. Der Spieler darf dann die obersten zwei Karten eines Gegners aufdecken und eine davon bei diesem auslegen. Häufig sind das Helden, die dann vom gegnerischen Spieler besiegt werden müssen. Denn sie bringen nicht nur erschwerte Bedingungen mit sich, sondern verdecken auch zwei der vier möglichen Aktionsfelder. Wer da nicht rechtzeitig zum Gegenschlag ausholt, der wird eventuell von den Helden überrant. Im Schicksalskartendeck können sich zudem Karten befinden, die einen direkten Effekt haben – zum Beispiel die mühsam umgewandelten Krickettore der Herzkönigin wieder umdrehen – oder aber einen bereits ausliegenden Helden noch mächtiger machen. Fies, wenn der eh schon schwer zu besiegende Held durch eine Verkleidung nahezu übermächtig wird.

Auch wenn man primär versucht, das eigene Ziel zu erreichen, ist „Disney Villainous“ höchst interaktiv. Man sollte, nein muss ständig ein Auge auf die Auslage der Gegner haben. Und es ist einfach herrlich, diesen den schon sicher geglaubten Sieg durch eine klug platzierte Schicksalsaktion wegzuschnappen. Natürlich bringen die Karten Zufall ins Spiel, dieser hält sich aber in Grenzen und ist gerade so dosiert, dass es niemals unfair wird.

Wohl aber unfair ist es, die drei einfacheren Charaktere gegen einen der drei anderen antreten zu lassen. Wenn Dschafar gegen Prinz John und Malificent ins Feld zieht, hat er höchstens eine Chance, wenn die beiden anderen sich aufeinander einschießen. Noch mehr als sonst muss er darauf achten, nicht den kleinsten Fehler zu machen. Denn „Disney Villainous“ ist trotz der putzigen Optik, die beim Namensgeber natürlich zu erwarten ist, kein lustiger Familienhappen für Zwischendurch. Es ist ein knallhartes Kennerspiel, das keine Fehler verzeiht. Wer sich in seinen Zügen verplant oder eine Gelegenheit ausläst, kriegt ganz sicher die Quittung dafür.

Die Umsetzung der Thematik ist hervorragend, die vier Orte passen jeweils perfekt, denn sie bilden die Höhepunkte der bekannten Geschichten ab. Die Spielfigur sind schwere Kunsstoffpöppel in quitschbunter Optik, das Material ist hochwertig und nutzt sich nicht schnell ab. Lediglich die Anleitung ist etwas löchrig und konfus, vieles mussten wir mehrmals nachschlagen und einiges wird erst am Ende erläutert, nicht aber an der Stelle, an der es eigentlich hätte stehen müssen. Auch wenn „Disney Villainous“ grundsätzlich bis zu sechs Spieler unterhalten kann, hat sich in diversen Runden vor Corona gezeigt, dass es ab fünf Mitstreitern eine sehr, sehr lange Angelegenheit werden kann. Tatsächlich haben wir uns erst dank Corona an ein Zwei-Personen-Match gewagt, weil wir dachten, es taugt nur zu mehreren. Weit gefehlt – auch zu zweit macht der Kampf der Fieslinge richtig Laune. Lediglich Malificent scheint mit ihrem Fluch-Ziel eher für ein Mehrpersonenspiel ausgelegt zu sein.

Die ersten Erweiterungen haben nicht lange auf sich warten lassen und bringen vor allem neue Bösewichte ins Spiel. Wir werden auf jeden Fall schauen, was diese zu bieten haben.

Disney Villainous

Ravensburger

für 2 bis 6 Spieler

Dauer: circa 60 Minuten (mit fünf oder sechs Spielern erheblich länger)

Preis: circa 35 Euro