Helden müssen draußen bleiben

Die älteren Semester kennen sich noch den guten, alten PC Klassiker „Dungeon Keeper“. Dabei ging es darum, einen Dungeon so auszubauen, das mögliche tapfere Recken es nicht schaffen, dem Overlord zu sehr ans Leder zu können. Ein Riesenspaß, und mit „Helden müssen draußen bleiben“ haben wir nun ein Brettspiel auf dem Markt, dass uns vor genau just eben diese Aufgabe stellt – die tapferen Helden aus dem eigenen (oder angemieteten) Kerker zu prügeln. Und dafür nutzen wir die Fähigkeiten unterschiedlichster Monsterrassen. Quasi ein Dungeon-Crawler, nur anders herum.

„Helden müssen draußen bleiben“ ist für mich die Überraschung des Jahres. Aufmerksam wurde ich auf den Titel tatsächlich erst, als ein Freund aus der Spielerunde den Titel als gemeinsames Geburtstagsgeschenk vorschlug. Joah, sieht putzig aus und kooperativ ist in meiner Gruppe gerade schwer angesagt. Also warum nicht? Und direkt beim Auspöppeln des Gesamtkunstwerks legte sich ein überraschtes Staunen auf die Gesichter. Denn „Helden müssen draußen bleiben“ schafft das Kunststück, unfassbar knuffige Figuren zu präsentieren, ohne dabei kitschig zu werden. Obwohl recht minimalistisch gehalten scheinen die kleinen Monster fast zu leben, wir schließen sie umgehend in unser dunkles, verschlagenes Herz.

Die Monster sind äußerst putzig gestaltet. Im Vordergrund hält ein Hexer die Stellung, während Ratten und Kobolde auf Heldenjagd gehen.

Und auch der Kerker strotzt vor Details und macht einen extrem guten Eindruck. Die Tischpräsenz passt also schonmal, aber was kann der Titel denn nun in Sachen Mechanik? Die Antwort – jede Menge! Wir müssen jeweils zweimal ein Deck voller Helden (wobei uns immer wieder der Fauxpas unterläuft, dass wir unsere Monster Helden schimpfen – ups!) durcharbeiten. Im ersten Durchlauf stürmt einer der Krieger, Bogenschützinnen, Schurken oder Magier unser monströses Eigenheim, im zweiten Durchlauf schon derer zwei. Dazu kommen in jedem Dungeon neue Bosse oder Gefahren, denn das Spiel ist in Kampagnen aufgebaut, die zwar nicht aufeinander aufbauen, aber jeweils eine eigene kleine Geschichte erzählen. So müssen wir zum Beispiel dafür sorgen, dass eine Hexe regelmäßig frische Frösche erhält, sonst widerfährt uns eine Übel – meist in Form von Verlust diverser Handkarten. Oder aber der Troll, der uns übel ans Kleingeld will, sonst droht uns die fristlose Kündigung.

Die Helden bringen genau wie die Monster Spezialfähigkeiten mit, die uns mehr oder weniger zusetzen. So verschießen die Bogenschützinnen direkt einen Pfeil in einen Nebenraum. Doof, wenn wir da rumstehen und keine Verteidigungsfertigkeit vorweisen können. Oder aber der Krieger, der einfach so einen im Raum deponierten Gegenstand stibitzt. Der Schurke entschärft von uns strategisch klug positionierte Fallen und der Magier kann eigentlich gar nichts, aber wehe er spawnt im Gefängnis, dann erweckt er alle dort inhaftierten Recken zu Leben. Wir dürfen für einen Mehr an Handkarten nämlich jederzeit einen Recken ins Gefängnis schicken. Klingt gut, aber wehe es kommt ein Magier, dann bricht im Knast die Hölle los. Und breitet sich im Zweifel aus. Denn Helden werden immer zuerst Monster töten, wenn möglich. Oder Schatztruhen plündern, was uns böse Nachteile bringt. Oder aber, wenn es im Raum nichts zu tun gibt, weiter Richtung Schatzkammer wandern. Plündern Sie die dort liegende Truhe, ist das Spiel für uns gelaufen. Das Perfide: Treffen sie in einem Raum auf Helden, die dort inaktiv liegen, werden diese auch aktiviert und das Spielchen geht von vorne los… Monster töten oder Truhe öffnen oder weiterziehen. So setzt sich der Heldenmarsch unbarmherzig fort, sofern wir nicht rechtzeitig die Helden im Dungeon töten.

Die Aktionen werden mittels Karten gesteuert. Jede Rasse hat ein Startdeck, das um mächtigere Karten erweitert werden kann.

Unser Deck verstärken können wir mit Karten, für die wir wiederum Reagenzien wie besagte Frösche oder Bücher brauchen. Dazu müssen diese aber erstmal in einem bestimmten Raum erschaffen und häufig quer durch den Dungeon geschleppt werden, um diese auch in Karten umzutauschen. Die Karten verfügen über Effekte wie Angriff oder Laufen und müssen ausgespielt werden, um Aktionen zu absolvieren. Dabei gibt es oft auch die Auswahl zwischen zwei möglichen Aktionen. Und da wir kooperativ unterwegs sind, sollten wir uns gut abstimmen, wer etwas macht oder wer welche Karte erhält. Nicht alles ist für alle sinnvoll, denn die Monster verkörpern klassischerweise Klassen wie Angreifer, Verteidiger oder auch Supporter. Diese brauchen zum Beispiel viel Bewegung, um die Strecken im Dungeon zurückzulegen. Dazu gibt es die Möglichkeit, Portale zu öffnen. So geht es im Zweifel schneller und effektiver dem Heldenpack an den Kragen.

Das Spiel kann in zwei Schwierigkeitsgraden absolviert werden. Mag man mehr Herausforderung, spawnen von Beginn an zwei Recken statt ein nur ein Held. Da wir zu viert spielen, bleiben wir aber bei der leichteren Variante. Denn in Maximalbesetzung ist das Deck leider recht schnell runtergespielt und neu gekaufte Karten kommen nicht so gut zur Geltung. Der Sweet Spot wäre daher wohl eher bei drei Spielern anzusiedeln. Und natürlich ist auch „Helden müssen draußen bleiben“ vor dem Problem jedes kooperativen Spieles nicht sicher – ein Alphaspieler weiß sicher immer alles besser. Haben wir aber nicht in der Gruppe, also auch kein Problem für uns. Im Gegenteil – hier macht sogar Scheitern Spaß und da alles extrem flott wieder aufgebaut ist, schlagen wir uns nach einer Niederlage einfach noch einmal ins Getümmel – und lernen im Idealfall aus unseren Fehlern oder ändern die Rassen, denn nicht jede Rasse ist für jedes Szenario gut geeignet. Für mich eine absolut klare Empfehlung auch für eher unerfahrene Spieler, da alles gut erklärt wird und die Optik einen sofort in das Spiel zieht. Hier passt tatsächlich alles zusammen.

„Helden müssen draußen bleiben“ von Luis Brüeh
Mirakulus
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: circa 45 Minuten
Preis: circa 50 Euro