Khora

Es hätte so schön sein können. Einen eigenen Stadtstaat hochziehen. Bürger ansiedeln – und auch wieder vertreiben. Ruhm ernten und natürlich nebenbei die Wirtschaft am Laufen halten und militärisch das Umland erkunden. „Khora“, angesiedelt in der griechischen Antike, ist hoch thematisch. Und leider komplett unbalanciert.

Es gibt Spieler, denen ist es egal, dass ein Spiel es einem Spieler erlaubt, uneinholbar von dannen zu ziehen. Macht nix, gerade bei einer überschaubaren Spielzeit wie bei „Khora“ wird dann eine Partie neu aufgebaut. Und es gibt mich. Ich hasse es. Ich hasse es, wenn schon nach zwei der acht Runden abzusehen ist, dass meine Kontrahentin nahezu mühelos den Sieg einfahren wird. Sie hat direkt die Karte auf der Hand, die mit ihrem Tableau die besten Synergien hat. Wenn dann noch eine zweite Karte dazu kommt, die ihr quasi in jeder Runde nicht nur fünf oder mehr Siegpunkte, sondern auch einen kostenlosen Aufstieg auf einer der drei Fortschrittsleisten schenkt, dann kann ich mit meiner Fähigkeit, einen mühevollst erarbeiteten Ruhm gegen Drachmen und Siegpunkte zu tauschen, nur die nächsten sieben Runden bedröppelt zuschauen. Denn – Überraschung – auch den Ruhm räumt meine Nachbarin dank ihres raschen Voranschreitens mühelos ab.

Zudem gibt es Ereignisse. Schöne Idee, schlecht umgesetzt. Denn diese Ereignisse bevorzugen in fast allen Fällen den, der auf das Militär gesetzt hat. Das mag nicht direkt zum Sieg verhelfen, spuckt aber immer dem in die Suppe, der sowieso schon hinten liegt. Wer also Catch-up-Mechanismen in Spielen grundsätzlich begrüßt, dem bietet „Khora“ absolut nichts außer einem gehörigen Mass an Frustration. Das wäre zu verschmerzen, wenn man das Glück sprichwörtlich in den eigenen Händen hätte. Das liegt aber in der Hand von zwei – später drei – Würfeln und eben jenen Karten. Läuft es da am Anfang nicht, hat man sicher verloren. Punkt.

Wir können auf unserem persönlichen Tableau unseren Stadtstaat entwickeln (links) und auf den drei Fortschrittsleisten voran schreiten.

Aber worum geht es denn nun? Wie bereits erwähnt, versuchen wir einen Stadtstaat erfolgreich zu managen. Jeder Spieler erhält dazu ein Tableau mit drei Fortschrittsleisten (Wirtschaft, Kultur und Militär) sowie eine variable Einlage je Stadtstaat. So hat man als Theben, Sparta, Milet oder eine andere Region jeweils einen anderen Startbonus. Theben zum Beispiel startet mit einem direkten Stufenaufstieg beim Militär, Milet darf den Marker im Bereich Wirtschaft zu Spielbeginn hochrücken. Drei weitere Boni müssen freigespielt werden, dafür werden Marker benötigt – jeweils in den Farben blau, rot oder grün. Diese Marker werden auch zum Ausspielen von Karten benötigt, das erinnert ein wenig an die Kartenbedingungen von 7 Wonders. Marker erhählt man zum einen, indem man sie kauft oder aber man greift sie auf dem großen Gemeinschaftstableu mit der Aktion „Erkunden“ ab.

Auf diesem Gemeinschaftstableau finden sich außerdem vier weitere Leisten. Zum einen die Leiste für die militärischen Einheiten, die ausgegeben werden können. Das Fiese – nutzt man diese Einheiten für Erkundungen, stirbt in der Regel ein Teil der Soldaten. Eine hübsche Idee, die sich wie alles andere auch sehr thematisch anfühlt. Hier macht Khora alles richtig. Es gibt eine Leiste für Bürger sowie eine Leiste für die Höhe der Steuereinnahmen, die jeweils zu Beginn einige Drachmen einbringt und eine Leiste für Ruhm. Ruhm ist für die meisten Spieler ein schlichter Siegpunktmultiplikator. Ein Volk wie Theben aber benötigt ihn auch, um seine Boni zu nutzen. Ruhm erwirbt man durch Fortschritt auf der eigenen Militärleiste oder aber durch Errungenschaften. Derer gibt es sechs, die jeweils einmal erspielt werden können. Zum Beispiel erhält der eine Errungenschaft, der als erster mindestens sechs Soldaten ins Feld schickt. Oder aber der, der schlicht und ergreifend am schnellsten auf der Siegpunktleiste war und die Marke 10 geknackt hat.

Jeder Spieler hat zwei Würfel, die Aktionen auslösen. Ist man flott auf der Kulturleiste unterwegs und hat das nötige Kleingeld, dann kommt ein dritter Würfel dazu. Und der ist auch bitter nötig, um nur im Ansatz eine Chance zu haben. Denn die Augenzahenl der Würfel geben vor, welche Aktion man nutzen kann. Es gibt sieben verschiedene Aktionen mit einem Wert von 0 bis 6, die von den Spielern geheim ausgespielt werden. Für 0 Punkte zum Beispiel kann man eine Schriftrolle, eine Art Joker für alles, erhalten. Die 1 gewährt einem Bürger und neue Karten, die 2 gibt Siegpunkte anhand der Kulturstufe und die 3 lässt einen Handel treiben. Das bringt Drachme und, falls man ihn bezahlen kann, einen der wertvollen Marker. Die 4 schickt Soldaten in die Schlacht und mit der 5 kann man Politikkarten ausspielen. Diese Politikkarten gewähren Sofortboni wie Drachme oder Siegpunkte, Dauerboni wie zum Beispiel weniger Kosten beim Aufstieg auf der Fortschrittsleiste, Die dritte Sorte Karten wird am Rundenende gewertet. Auch hier tun sich Ähnlichkeiten zu 7 Wonders auf. Mit der 6 kann man schließlich seine Stadt aufwerten. Ein Würfel muss mit der Augenzahl mindetens den Wert der Karte erreichen, die ausgespielt werden soll. Hat man also eine 5 gewürfelt, kann man diesen Würfel auf eine der Karten 0 bis 5 legen. Hat man nicht genug Würfelaugen, kann man die Differenz zur Karte durch Bürger aufwerten. Tut man das, verliert man diese aber auch analog zu den Soldaten in der Schlacht.

Die Würfel geben vor, welche Aktionen man nutzen kann.

„Khora“ macht vieles richtig. Die Mechanismen sind gut verzahnt, keine Frage. Ständig muss man abwägen, welche Aktion in der laufenden Runde möchte ich machen? Und kann ich mir das überhaupt leisten? Muss ich erstmal Bürger sammeln? Welche Marker brauche ich für meine Stadtaufstiege. Grundsätzlich alles eigentlich ein pfiffiges Konzept, wenn man doch nur ein klein wenig mehr darauf geachtet hätte, dass die verschiedenen Wege zum Sieg gleichwertig sind und vor allem die unterschiedlichen Stadtstaaten in ihren Fähigkeiten auch nur halbwegs gleichwertig wären. Das sind sie – wie oben beschrieben – keineswegs. Auch das wäre noch verzeihlich, wenn das Spiel einem die Möglichkeiten an die Hand geben würde, einen Rückstand durch kluges Spielen aufzuholen. Aber auch da Fehlanzeige. Im Gegenteil, wenn man einmal führt, muss man nur jede Runde die gleiche Karte spielen, den dadurch ausgelösten Mechanismus abarbeiten und einfach weiter davoneilen. Es gibt keinerlei Möglichkeit, dem Führenden irgendwie das Leben schwer zu machen. Das ist tatsächlich nicht nur für die unbefriedigend, die hinten liegen, sondern auch für den Führenden. Denn so spannend es in der ersten Runde ist, was man für Karten bekommt (fünf Startkarten werden gedraftet), so langweilig ist das Prozedere im weiteren Verlauf.

Die Optik ist – Achtung Wortspiel – spartanisch. Und das ist auch gut so. Alles andere hätte zu der Thematik nicht gepasst. Die Regeln sind schlank, schnell gelernt und in einer sehr guten Anleitung verpackt. Und „Khora“ spielt sich extrem flüssig, eine Partie dauert maximal eine Stunde. Das alles sind Pluspunkte. Ob „Khora“ ein schlechtes Spiel ist, muss jeder Spielertyp für sich entscheiden. Für mich ist es da leider.

„Khora“ von Head Quarter Simulation Game Club
Iello
Für 2 bis 4 Spieler
Dauer: circa 60 Minuten
Preis: circa 45 Euro