„Pestilenz“ raunt man in den Gassen. Die Seuche greift um sich, und wir sind als Pestdoktor unterwegs, um ihr Einhalt zu gebieten. Aber keineswegs gemeinsam, sondern immer in Konkurrenz um die meisten Kranken, die wir zu heilen ersuchen. Allein es mangelt an allem – an Stein, an Holz, an Brot und vor allem an Heilkräutern. Denn ohne diese sind unsere mühsam eingesammelten Pestkranken dem Siechtum überlassen. Und die Pest, sie vernichtet derweil Ort um Ort…
Hach, mir scheint, das Jahr haut mir einen thematisch stimmigen Titel nach dem anderen um die Ohren. Hier nur ein magerer Ersteindruck, denn wie wir die effektiv bekämpfen, dafür bedarf es vieler Partien – einer ansehnlichen Lernkurve sein Dank. Die Regeln sind für ein Kennerspiel überschaubar und schnell gelernt. Wir bereisen mit unserem Pestdoktor Regionen, die mal mehr oder mal weniger von der Pest betroffen sind. Sind Kranke vor Ort, sammeln wir diese ein und verfrachten sie in die Quarantäne. Doch Plätze dort sind begrenzt – zu viele Kranke bringen uns Mali bei Aktionen oder Bordplätzen. Doch dazu später mehr. Begrenzt sind übrigens auch die Lagerplätze für Ressourcen. Maximal fünf dürfen wir lagern. Ein echtes Problem wird das aber selten, denn Rohstoffe sind eher regelmäßig Mangelware.
Zunächst starten wir mit unserem Pestdoktor und einer Burg. Besuchen wir einen Ort, können wir dort neue Gebäude errichten, die den vor Ort verfügbaren Rohstoff liefern und im späteren Verlauf auch produzieren. Aber nur, wenn wir entsprechend einen Bürger als Arbeiter entsenden. Dieser Bürger eilt dankbar an die Arbeit, wenn wir ihn zuvor von der Pest geheilt haben. Das erfordert Kräuter, die nun auch wiederum erst einmal produziert werden müssen. So schaffen wir uns nach und nach eine kleine Engine, in der Kranke zu Arbeitern werden, weitere Gebäude mehr Ressourcen liefern und am Ende natürlich einträgliche Siegpunkte abwerfen. Schaffen wir es sogar, alle Gebäude aus einem von drei Bereichen zu bauen, dann winken nochmal Bonussiegpunkte.
Welche der Aktionen Bewegen, Produzieren, Bauen, Forschen, Heilen und Verteilen wir ausführen, das wird durch einen cleveren Mechanismus bestimmt. So können wir unseren Meeple in ein drei mal drei Felder umfassendes Raster setzen. So kreuzen sich immer zwei Aktionen, die wir dann nutzen können. Andere hingegen sind von vorneherein ausgeschlossen. So ist es nicht möglich, sich im Rahmen dieser zwei Züge zu bewegen und zu bauen. Darüber stolpert man zu Beginn noch oft, hat man sich im Kopf doch so schön ausgemalt, was man machen will, nur um festzustellen, dass es diese Kombination nicht gibt. Geheilte Kranke lassen sich übrigens nicht nur in eigene Gebäude entsenden, sondern auch in die Stadt, die prächtig in der Mitte des Spielbrettes thront und die ebenfalls mit Siegpunkte bringenden Gebäuden bestückt werden kann. Hier kann man einmalige Boni einsacken, aber auch am Ende dank eigener Mehrheit wertvolle Schritte auf der Ansehensleiste voranschreiten. Diese bringen einem dann zu Beginn jeder der sechs Runden mehr Ressourcen. Leider gibt die Leiste auch Anlass zur Kritik: Wer vorne liegt, wird reichlich belohnt, wer hinten liegt, darf zur Strafe dann noch einmal ein Stück weiter nach hinten rutschen Das fühlt sich nicht richtig an und ist dann doch zu schwer zu kompensieren.
Jeder Runde gilt es, weitere Ziele zu erfüllen, die jeweils variieren. So erhalten wir zum Beispiel Siegpunkte dafür, an bestimmten Orten zu bauen. Oder aber für geheilte Kranke. Wer hier aufmerksam den Zielen zuarbeitet, schafft sich einen guten Vorsprung. Diesen Vorsprung bieten auch die Technologien, die man im Verlauf des Spieles erstehen kann. So gibt es zusätzlichen Platz für Ressourcen oder Kranke. Oder aber der Pestdoktor erhält mehr Schritte auf seiner Reise oder kann zusätzlich Kranke heilen. Ohne in die Technologien zu investieren, lässt sich schwerlich ein Sieg erzielen. Wobei aber hier die Qualität schwankt. Günstigere Technologien bringen dann eventuell kleinere Vorteile, schlagen aber vielleicht mit mehr Siegpunkten am Ende zu buchen. Wie man es dreht und wendet, ein ständiges Abwägen auf hohem Niveau.
Was „Pest“ von einem der vielen Eurogames mit Mangelmechanismus auf dem Markt abhebt, ist der Fakt, dass es sich tatsächlich so anfühlt, als würde uns die Seuche im Nacken sitzen. Denn mit jeder Runde wird eine Pestkarte aufgedeckt, und es fluten mehr Kranke die Straßen und Orte. Teilweise gehen die Orte sogar daran zugrunde, werden unbesuchbar und die Kranken strömen weiter in die Nachbarstädte. Es fühlt sich an, als würde man gegen eine unsichtbare Uhr arbeiten. Das macht das Spiel wirklich ausgezeichnet und lässt es hoch thematisch wirken. Ein Wort zum Material: Das meiste ist gelungen, aber die im Kickstarter enthaltene Stadt lässt sich kaum problemlos zusammen setzen. Hier muss nochmal zusätzliche Bastelarbeit erbracht werden, damit das Bauwerk nicht wieder in sich zusammen fällt. Auch sind die farbigen Markierungen der Straßen nicht immer gut zu erkennen. Beides hätte sich besser lösen lassen. Mechanisch und atmosphärisch kann dem Spiel aber nichts angelastet werden. Im Gegenteil – trotz des düsteren Themas macht „Pest“ einen Riesenspaß. Vor allem das Ausprobieren, welche Aktionskombination noch möglich und vor allem sinnvoll ist, bringt Laune und war zumindest für mich neu und frisch. Auch die sich ausbreitende Pest und der stetige Mangel an Aktionen und Ressourcen, der kaum einen Fehler verzeiht, fühlt sich stimmig an. Kleine Probleme im Balancing wie zum Beispiel teilweise doch sehr starke Technologien oder aber die meines Erachtens zu hohe Strafe für den, der das Schlusslicht auf der Ansehensleiste bildet, fallen da nicht allzu sehr ins Gewicht.
„Pest“ von Thomas Nielsen und Kai Starck
Archona Spiele
Für ein bis fünf Spieler
Dauer: circa 120 Minuten
Preis: circa 70 Euro