Die Tavernen im Tiefen Thal

Wer gerne Pen & Paper Rollenspiele spielt, der landet früher oder später in einer Taverne. Zwecks Auftragsakquise, Mördersuche oder weil der Spielleiter gerade keine bessere Idee hat. Niemals würde man sich da die Frage stellen, wie so eine Taverne überhaupt am Laufen gehalten wird. Woher kommt das Bier? Woher das Personal? Und warum um alles in der Welt ist diese schmierige Kaschemme überhaupt so voll?

Solche Fragen dürften Wolfgang Warsch durch den Kopf gegangen sein, als er Die Tavernen im Tiefen Thal entwickelt hat. Denn ohne Bierzwerg, Schankmaid und letztlich auch adlige Gäste läuft in diesem Deckbuilding-Game nichts. Mangelt es an Bier, bleiben die Tische leer. Kommen keine Gäste, kann man sich aber keine bessere Ausstattung leisten. Und einige Gäste will man eigentlich gar nicht haben, lassen sie doch kaum Geld da. Ein Teufelskreis, den die Spieler irgendwie durchbrechen wollen.

Dazu kaufen sie entweder mehr Stühle oder mehr Personal oder sie renovieren ihr Etablissement, was die einzelnen Bereiche mehr Profit abwerfen lässt. Dadurch können zahlungskräftigere Gäste angeworben werden, die auch den ein oder anderen Bonus in Petto haben. Einer zum Beispiel kommt nicht alleine, sondern bringt direkt einen Tellerwäscher mit. Der wiederum sorgt dafür, dass man eine Würfelzahl erhöhen kann.

Die Würfel sind ein zentrales Element und werden gedraftet. Etwas Glück gehört also dazu.

Denn neben den Deckbuilding haben die Tavernen auch Workerplacement-Elemente, wobei statt Meeples Würfel eingesetzt werden. Und wodurch das Glück dazu kommt, das auch die sorgfältigste Planung über den Haufen werfen kann. Das muss man mögen, denn der Spielverlauf kann grandios frustierend sein. Alles scheint zu laufen, die Schankmaiden stehen bereit und das Bierlager ist voll und dann – würfelt man nur Schrott. Da die Würfel gedraftet werden, kommt auch hier ein strategisches Element hinzu, dass aber nur marginal den Glücksfaktor ausbremst.

Wer sich darauf einlässt, wird durch einen herrlich gut funktionierenden Mechanismus belohnt und die Möglichkeit, auch nach einem schlechten Start noch ins Spiel zu finden. Denn auch der Führende ist dank des Würfelfaktors nicht unangreifbar.

Das Spielmaterial ist hübsch und einladend. Äußerst positiv ist zu werten, dass das Spiel nicht nur das Grundspiel enthält, sondern gleich vier weitere Module, die das Spiel mal mehr oder mal weniger umfangreich erweitern. So kommen im späteren Verlauf noch die Ressourcen Schnaps und Ruf dazu, es gilt Unterschriften im Gästebuch zu sammeln und unterschiedliche Startsets machen das Spiel variabler. Es empfiehlt sich, diese nach und nach dazu zu nehmen, um jedes Modul an sich erst einmal kennenzulernen. So entwickelt sich das Spiel von einem recht flüssigen Happen zwischendurch zu einem durchaus komplexen Kennerspiel mit allen Modulen. Beschränkt man sich auf das Grundspiel, muss man sicher kein ausgemachter Brettspielfuchs sein, um seinen Spaß zu haben.

Gute Mitarbeiter sind selten. Falls man die Möglichkeit hat, sollte man zugreifen.

Mir persönlich gefällt vor allem die sehr gelungene Kombination von Deckbuilding, Würfel-Placement und Drafting, die ich so vorher noch nicht gesehen habe und wegen der ich dem Spiel gerne die fehlende Interaktion verzeihe. Es macht durchaus Spaß, die Mitspieler dabei zu beobachten, wie sie versuchen, aus ihren Würfeln das Beste herauszuholen. Ich jedenfalls habe meine Schankmaide, Bierzwerge und Tellerwäscher in kürzester Zeit lieb gewonnen. Tatsächlich wächst einem die eigene Taverne im Lauf des Spiels ans Herz. Und wenn ich mit einer Heldengruppe mal wieder müde vom Abenteuer in eine Taverne stolpere, dann weiß ich den logistischen Aufwand sicher mehr zu schätzen und lasse gerne etwas mehr Trinkgeld da.

Die Tavernen im Tiefen Thal

Schmidt Spiele

2 – 4 Spieler

Dauer: je nach Modul 30 – 60 Minuten

Preis: circa 38 Euro