Terraforming Mars

Eine Warnung vorab… jetzt könnte es etwas unsachlich werden. Okay ehrlich gesagt sehr unsachlich, und kritisch schon mal gar nicht… Schon lange wollte ich meine Rezension zu Terraforming Mars hier posten, aber es fehlte am Fotomaterial. In meiner Gruppe kam es schon lange nicht mehr auf den Tisch und so hab ich es vor mir hergeschoben. Leider. Jetzt scheint es ja noch zu dauern, bis fröhliche Brettspielrunden wieder zustande kommen (Anm. des Verfassers. Corona. Wer das in einigen Jahren liest, möge den Begriff googeln, sollte er friedlich unter einem Stein geschlafen haben).

Heute ergab es sich, dass eine Spielefreundin in unserer Brettspielgruppe ein Foto zu Terraforming Mars postete und das war ein Zeichen – jetzt soll es sein! Flugs gefragt und Erlaubnis eingeholt, nun habe auch ich ein schönes Beitragsbild. Aber warum der Enthusiasmus?

Das hat zwei Gründe. Zum einen – nun, ich liebe das Spiel. So einfach ist es. Zum anderen – es gibt von Terraforming Mars eine Steam-Version, die nicht nur als Umsetzung sehr gut gelungen ist, sondern mir und meiner Mittwochsgruppe auch die Möglichkeit gegeben hat, zumindest via Skype zu spielen.

Wie der Name ja schon dezent vermuten lässt, geht es darum, den Mars zu besiedeln. Sauerstoff, Temperatur, Wasser – all das erschaffen wir, indem wir Karten ausspielen. Und das passiert ganz wie in einem klassichen Engine-Builder. Bezahlen können wir unsere Karten mit Mega-Credits, deren Produktion es zu steigern gilt. Oder aber mit Stahl oder Erz, das wir zum einen durch Karten generieren müssen, zum anderen aber für eben die Karten ausgeben. Und dass der Mars am Ende schön grün ist und jede Menge Tiere beherbergt, dafür sorgen die Pflanzen die, natürlich, über Karten produziert werden. Tragen wir erheblich dazu bei, werden wir durch die Steigerung unseres Terraforming-Wertes belohnt, der quasi unsere Einkommensgrundlage bildet. Kurz – je höher, desto besser. Zu Beginn wählt zudem jeder Spieler einen Konzern, der ihm bestimme Boni gibt. So kann man als Vertreter von „Ecoline“ zum Beispiel günstiger eine Grünfläche bauen. Die „Mining Guild“ hingegen honoriert das Bauen auf Stahl- oder Erzvorkommen mit besseren Ressourcen.

Natürlich zählen am Ende die Siegpunkte. An diese zu kommen ist indes variantenreich. Zum einen gibt es diese ganz schnöde direkt auf den gespielten Karten. Das solte man nicht vernachlässigen, will man am Ende die Nase vorn haben.

Normalerweise wäge ich hier die guten und schlechten Seiten eines Spiels ab. Hier aber nicht. Hier lautet die Frage schlicht und einfach – warum mag ich dieses Spiel so? Vermutlich hätte ich länger gebraucht, mich an dieses Brett von einem Spiel zu wagen, hätte nicht ein Mitglied meiner Mittwochsrunde so vehement davon geschwärmt. Und tatsächlich – hat man das Gesamtkunstwerk erst einmal vor sich liegen, dann ist es mehr als beeindruckend und scheint einen zu erschlagen. Hier auch der einzige vorsichtige Kritikpunkt: Die Einstiegshürde ist happig. Wohl dem, der – wie ich – einen versierten Erklärbären kennt, der jeden Punkt auch mit Engelsgedult immer wieder erläutert. Hat man sich aber daran gewagt, dann erliegt man schnell der Faszination von Terraforming Mars.

Denn genau das ist das Besondere: Es gibt eine Unmenge von Möglichkeiten. Die Konzernauswahl lenkt diese zwar in eine Richtung, aber auch das ist nicht abschließend. Niemals ist ein Mitspieler abgeschlagen, immer gibt es Möglichkeiten, aus den eigenen Karten das Maximum rauszuholen. Um das zu erkennen, braucht es mehrere Partien. In den ersten Runden gelingt es kaum, abzuwägen, welche Karten sich lohnen und welche Strategie sie nahe legen. Ist man aber etwas erfahrener, macht es unfassbar Spaß, auch aus scheinbar schlechten Karten das Beste zu machen. Überdies kann die Runde zuvor festlegen, ob die Karten gedraftet oder so gezogen werden. Das bringt Varianz in das Spiel.

Oft genug habe ich es erlebt, dass jemand scheinbar aussichtslos vorne lag, aber ein anderer dann mit Grünfläche um Grünfläche aufgeholt und so noch den Sieg eingestrichen hat. Oder aber so clever Siegpunkte angehäuft hat, dass alle anderen am Ende dumm aus der Wäsche geschaut haben.

Dazu kommt das Setting. Der Mars gedeiht – und das sieht man auch. Wasser und Grünflächen, Städte, alles wird via Plättchen verdeutlicht. Am Ende wuchert es auf dem einst nackten Spielbrett und es ist eine wahre Pracht. Ja, man sieht wirklich einer einstmals feindlichen Atmosphäre beim Aufblühen zu. Die Karten sind thematisch wunderbar gestaltet. Alles ist nachvollziehbar und liebevoll.

Zum Online-Auftritt. Bei Steam gibt es eine Umsetzung des Brettspiels, die gut gelungen ist. Zwar hat auch diese mit Bugs zu kämpfen, diese halten sich aber in Grenzen. Lediglich einer ist mir extrem unangenehm aufgefallen. Im Spiel gibt es eine Karte, die verhindert, dass die Gegner Pflanzen, Tiere und Mikorben stibitzen. Diese Karte funktioniert nicht korrekt. Sonst kommt es lediglich bei extrem starker Auslastung ab und an zu Abstürzen, die sich aber im Rahmen halten.

Jedem, der sich das erste Mal mit Terraforming Mars beschäftigt, lege ich nahe, nicht zu früh die Flinte ins Korn zu werfen. Ja, auf den ersten Blick erschlägt es einen. Ja, es scheint fast unmöglich, alles zu überblicken. Aber nach nur wenigen Runden wird alles klarer, die ganze Schönheit der Möglichkeiten entfaltet sich und man kann sicher sein, dass das Spiel auch nach vielen Runden immer wieder herausfordernd ist und neue Strategien verlangt. Die Karten variieren und es wird jedesmal von neuem nötig, die Strategie anzupassen. Und auch, wenn man zu Beginn einige Konzerne vielleicht für übermächtig halten mag. Dem ist nicht so – alle haben ihren Reiz und ihre ganz speziellen Strategien im Hintergrund. Diese zu entdecken macht den Reiz aus. Kurz – ich finde es großartig. Auch nach sehr, sehr vielen Partien.

Von Terraforming Mars ist im übrigen aktuell ein Nachdruck erschienen.

Terraforming Mars von Jacob Fryxelius

Stronghold Games

1 – 5 Spieler

Dauer je nach Spielerzahl circa 120 Minuten

Preis etwa 58 Euro