Brew

Es läuft ganz gut. Ich habe bereits vier Wälder beansprucht und meine zuvor mühsam trainierten Tierchen punkteträchtig ausgewildert. Ich wähne mich auf der sicheren Siegesstraße, habe aber übersehen, dass mein Kontrahent eine beträchtliche Anzahl Tränke vor sich gesammelt hat. Ganz knapp mit zwei Punkten verliere ich das Spiel. Und auch die Dritte im Bunde, die voll auf das Sammeln von Siegpunkten gesetzt hat, ist nur wenige Zähler hinter uns. Denn, das wird schon nach wenigen Partien deutlich, „Brew“ ist immer eine knappe Kiste.

Kurz nach Erscheinen war „Brew“ direkt ausverkauft. Ich hatte das Glück, zunächst auf der „Spiel doch“ eine Testrunde spielen zu können und es später in zweiter Auflage auch selbst in den Händen zu halten. „Brew“ hat schon beim Auspacken einen Charme, die Optik und die Qualität des Materials stimmen. Ich mag den Grafikstil, und bei Dice Placement werde ich sowieso schwach.

Bei „Brew“ agiert man aber nicht mit schnöden Zahlen von 1 bis 6, sondern mit Ressourcen- und Elementwürfeln. Die Ressourcenwürfel geben uns – Überraschung – Ressourcen wie Pilze oder Kräuter. Oder aber sie ermöglichen es uns, Tiere zu trainieren. Das geschieht, indem man seine Würfel in den Wäldern oder im Dorf einsetzt. Eine weitere Ressource sind die Energiebeeren, die als Joker fungieren oder aber für Charakterfähigkeiten genutzt werden. Die Elementwürfel können im Wald ebenfalls für jede Ressource genutzt werden. Mächtiger sind sie aber, wenn man die Elementfähigkeit auslöst. Wind weht einen eigenen Würfel wieder in den Vorrat und man kann ihn erneut einsetzen, mit Wasser sammelt man schlicht mehr von einer Ressource und Feuer verbrennt gar den Würfel, auf den der Feuerwürfel gesetzt wurde. Das ist wichtig, denn wer am Ende die mehr Würfel als die Gegenspieler und mehr als Elementwürfel vorhanden sind gesetzt hat, beansprucht den Wald.

Würfel geschickt einsetzen, das ist der Schlüssel zum Sieg. Und das gerne auch mal nur, um den Gegner nicht zum gewünschten Zug kommen zu lassen.

Wälder bringen genau wie fast alles andere auch Siegpunkte. Die Tiere, die sich trainieren lassen, werden obendrein am Ende wertvoller, wenn sie in einen passenden Wald ausgewildert werden wollen. Da macht es Sinn, klug zu planen, ob man ein Tier kauft, dass gerne in einen Sommerwald möchte oder ein Tier, dessen Fähigkeiten einem besser in die Strategie passen. Idealerweise geht beides, aber das ist dann schon ein echter Glücksfall.

Tiere ermöglichen einiges – mehr Ressourcen sammeln, wenn man z.B. im Dorf einsetzt. Energiebeeren einsammeln, wenn gewisse Aktionen ausgelöst werden. Oder aber direkt Siegpunkte, zum Beispiel wenn man einen Trank braut. Und so kommen wir zur namensgebenden Mechanik der ganzen Übung – dem Brauen von Tränken. Und das ist – genau wie das gesamte Spiel – nicht allzu schwierig. Man sammelt Ressourcen, braut damit einen Trank aus der Auslage und darf, wenn man am Zug ist, einen seiner gebrauten Tränke trinken. Dies bringt einem enorme Vorteile wie einen gewürfelten Würfel drehen, neu würfeln, einen Würfel aus der Auslage nehmen oder Waldflächen verbrennen. Und natürlich die begehrten Siegpunkte. Je mehr Ressourcen, desto mächtiger und teurer ist ein Trank.

Die vier Charaktere bringen ganz unterschiedliche Fähigkeiten mit.

„Brew“ ist nicht schwierig, die Regeln sind eingängig und gut zu verstehen. Aber es ist komplex. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten und nur sechs Würfel pro Runde, die es einzusetzen gilt. Der Dorfplan wechselt zwischen Tag und Nacht, die Auslage von Tieren, Wäldern und Tränken ist in jeder Partie anders. Und „Brew“ ist hochgradig konfrontativ. Man könnte meinen, jeder optimiert die eigene Auslage und sammelt gemütlich Siegpunkte. Weit gefehlt – man versucht, den anderen in die Suppe zu spucken, wo es nur geht. „Ärgerspiel“ heißt das bei uns und ich finde es großartig. Das tut aber nicht jeder. Hier eine Warnung für die, die schnell glauben, vom Rest des Tisches zu Unrecht gemobbt zu werden. Finger weg! „Brew“ ist nichts für Weicheier und ja, wenn ich meinem Gegner den Winterwald oder den teuren Trank gerade nicht gönne, tue ich schlicht alles dafür, ihm diesen auch wegzunehmen. Natürlich möchte man immer das Beste für die eigene Strategie, aber der ein oder andere Würfel darf gerne dafür eingesetzt werden, dem Gegner eins auszuwischen. Denn schließlich ist so ein Wald gut und gerne mal acht Punkte Wert, und das ist in „Brew“ eine ganze Menge. Es ist fast genauso wichtig, die Würfel der Gegner im Blick zu haben als die eigenen, um möglichst wichtige Felder bereits zu beanspruchen. Einem der vier Charaktere wurde das Gegner ärgern schon in die Wiege gelegt – kann er bei Würfelgleichstand im Wald mittels Energiebeere das Unentschieden einfach zu seinen Gunsten wenden. Die anderen drei Charaktere haben weniger streitbare, aber dennoch nützliche Fähigkeiten. Ein großer Pluspunkt ist für mich, dass sie alle gleich stark sind und eine jeweils andere Strategie erfordern.

„Brew“ macht vieles richtig, aber vielleicht nicht für jeden. Wie schon angesprochen sollte man nicht zu empfindsam sein. Und ich muss gestehen, mit einem waschechten Grübler mag ich das auch nicht spielen. Denn im eigenen Zug kann man zwar planen, aber wenn nach einem eventuell noch drei Mitspieler an der Reihe sind, steht man womöglich vor völlig neuen Tatsachen. Was mit Grüblern nur schwer erträglich ist, ist in etwas flotterer Runde das besonders Positive: man muss sich immer neu aufstellen und eventuell auch mal Plan C statt A oder B in die Tat umsetzen. So können zum Beispiel genau die Felder von den Kontrahenten belegt werden, die ich gebraucht hätte, um meine liebevoll geplante Ressourcen-Trank-Maschine in Gang zu setzen. Egal, dann schau ich halt, ob die Tierauslage mir neue Möglichkeiten eröffnet. Überhaupt ist „Brew“ ein ausgewachsenes Kennerspiel, auch wenn es mit seiner Comicgrafik zunächst mal einen auf putzig macht. Putzig ist da überhaupt gar nichts, es geht knallhart zur Sache – übrigens auch im Duell von nur zwei Spielern. Auch in Mindestbesetzung funktioniert „Brew“ hervorragend.

„Brew“ von Stevo Torres
Skellig Games
Für 2 bis 4 Spieler
Dauer circa 90 Minuten
Preis circa 35 Euro