Die Ratten von Wistar

Sind wir doch mal ehrlich – es gibt nichts Besseres als Käse. Käse macht – wie wir alle wissen – glücklich. Und meine Ratte ist auf dem Weg zu einem besonders großen, besonders opulenten Stück Käse. Das winkt in „Rats of Wistar“ demjenigen, der sich als erster durch ein Haus gearbeitet hat. Doch bis es soweit ist, liegen jede Menge extrem knifflige Entscheidungen vor einem.

Die Zeiten, in denen ein Aktionsauswahlrad einem das Staunen in die verträumten Äuglein gezaubert hat, sind vorbei. So einige Spiele haben den einst innovativen Mechanismus für sich entdeckt und auch unsere (Chef-)Ratten wollen auf dem beweglichen Rondell wohl platziert werden, um eine Hauptaktion und eine von ein oder zwei Bonusaktionen auszulösen.

Wir haben erst ein Bettchen in unsere Höhle auslagern können. Fünf weitere Arbeiterratten warten darauf, an die Schüppe geschickt zu werden.

Aber worum geht es denn überhaupt? Wir sind ein Haufen Ratten, darunter je drei Chefratten, die aus einem Wistar-Labor ausgebüchst sind. Und schon seit dem legendären „Pinky und der Brain“ wissen wir, dass Laborratten ihren ungequälten Artgenossen in Sachen Intelligenz – und Verschlagenheit – so einiges voraus haben. So verwundert es nicht, dass wir im Lauf unserer Flucht noch intelligenter, gesünder, stärker und einfach mächtiger werden. Als Ressourcen fungieren Holz- und Metallscheiben, Karten sowie so genannte Jokermarken, die wir für eine der Fähigkeiten nutzen können. Dazu kommt noch ein Strommarker, denn auch die schlaueste Ratte kann ohne Elektrizität kein Maschine in Gang bringen.

Außer unseren drei Chefratten, die für drei mögliche Hauptaktionen stehen, können wir zu Beginn zwei, später mehr Arbeiterratten auf dem Spielfeld platzieren. Dieses ist in drei Regionen eingeteilt: Farm, Wald und Mine. Dort können wir jeweils zwei Hauptaktionen ausführen. Erkunden und Forschen auf der Farm, Holz erhalten und Ausgaben im Wald sowie Metall erhalten und Betten bauen in der Mine. Je mehr Ratten in der jeweiligen Region vorhanden sind, desto stärker wird die Aktion. Für drei Ratten gibt es demnach drei Holz. Oder drei Schritte, um das Haus zu erkunden. Es ist also ganz entscheidend, klug zu planen, wo man wann wie viele Ratten haben möchte. Denn als Nebenaktion dürfen diese oft bewegt werden, außerdem kann man Bewegungsmarker erhalten. Als siebte Hauptaktion fungiert Alchemie, die uns besondere Aktionen wie zum Beispiel das Ausspielen einer Karte ermöglicht und darüber hinaus bestimmt, wer in der nächsten Runde Startspieler ist.

Das Aktionsrad lässt uns jeweils eine Hauptaktion (rosa Symbole im Kreis) sowie eine oder eine von zwei möglichen Nebenaktionen ausführen.

Die Nebenaktionen lassen und Karten ausspielen, Missionen erfüllen oder bringen uns weitere Rohstoffe oder Karten. Diese Karten gilt es zu sammeln und zu spielen, um entweder starke Boni einzustreichen oder auch am Spielende Siegpunkte zu erhalten. So gibt es zum Beispiel Punkte für jede Karte in unserer Auslage. Außerdem finden sich auf dieser Karte die einzelnen Symbole für Werte wie Wissen oder Stärke. Je mehr Symbole wir sammeln, desto eher können wir eine der Missionen erfüllen, die wir unterwegs finden. Neben den Boni für erfüllte Missionen können wir jeweils auf unserem persönlichen Tableau ein Klötzchen entfernen was wiederum auch Boni oder Siegpunkte bringt. So können wir zum Beispiel die Kosten für das Ausgaben oder das Betten bauen dauerhaft verbilligen. Einige wenige Karten sind Angriffskarten, die den Gegner dazu nötigen können, Ressourcen oder Siegpunkte zu verlieren.

Unser Tableau zu entwickeln ist nicht nur wichtig, um weitere Arbeiterratten freizuschalten, sondern auch, um am Ende die richtig dicken Siegpunkte einzustreichen. Wir graben Räume aus, denn nur in einem freien Raum kann eine Ratte ihr Bettchen platzieren und sich danach selbst an die Arbeit machen. Und ja, wir platzieren tatsächlich ein Plättchen mit einem kleinen Bettchen drauf abgebildet, was genauso süß aussieht, wie es sich anhört. Die freien Räume brauchen wir aber nicht nur für eigene Ratten, sondern auch für Gastmäuse, auf die wir im Haus stoßen. Diese können wir für jeweils einen Bewegungspunkt einsammeln, sie bringen uns Sofortboni oder dauerhafte Effekt. Oder aber auch Einkommen, um am Beginn der insgesamt fünf Runden ein Metall mehr oder weniger zu machen, kann hier einen echten Unterschied machen. Schaffen wir es, alle Räume auszubuddeln, gibt es alleine dafür am Spielende 16 Siegpunkte.

Diese Ratte ist zur Erkundung ins Haus geschickt worden. Links liegt die Missionskarten, zwei Aufgaben wurden bereits erfüllt.

Im Haus werden die oben erwähnten Missionskarten aufgedeckt. In den oberen Stockwerken schlummern vergleichsweise leichte Aufgaben, im unteren Stockwerk bieten die grauen Karten mächtigere Belohungen. Und ganz am Ende winkt dann schließlich eben jeder große Käse, der stolze sechs Siegpunkte wert ist. Außerdem gibt es in jedem Spiel drei Karten, die für alle gültige Ziele fordern. Wer hier schnell ist, hat es vergleichsweise leichter und braucht für den Erfolg zum Beispiel nur zwei Stärkemarker, während der Zweitplatzierte derer schon vier vorweisen muss.

Als wir das „Rats of Wistar“ auf der Spiel Doch in Dortmund getestet haben, waren wir schockverliebt. So schockverliebt, dass eine Mitspielerin es noch vom Tisch weg geordert hat. Jetzt sind so Spontankäufe ja nicht immer eine gute Idee und wir haben der ersten richtigen Partie entgegen gefiebert. Zumal die Kritiken in den gängigen Foren – sagen wir mal – durchwachsen sind. Nur ein hübscher Blender? Mitnichten, das Spiel ist in unseren Augen richtig gut. Wahnsinnig hübsch ist es sowieso, denn das Material ist ausgezeichnet und in einer vorbildlich kleinen Box untergebracht. Die Pläne, die Karten, die Ressourcen, alles ist tadellos gefertigt und illustriert.

Die Karten sind ein wesentliches und auch entscheidendes Element. Wer hier konsequent nur Pech hat, wird weder einen Blumentopf noch den großen Käse gewinnen.

Um Spaß an „Rats of Wistar“ zu haben muss man aber eine Sache akzeptieren wollen. Bei aller strategischen Planung, es gibt einen nicht zu leugnenden Glücksfaktor. Welche Missionen werden aufgedeckt? Welche Karten liegen in der Auslage bzw. welche ziehe ich? Und auch wenn man ein Gastmausplättchen erhält, ist es gut möglich, dass dieses nun einen der wertvollen Plätze auf unserem Tableau belegt, aber gleich null Nutzen für uns hat. Denn wenn man erfährt erst nach dem Einsacken, was es überhaupt kann. Ein Beispiel: Habe ich keine Karten mit Robotersymbol, nutzt mir eine Maus, die deren Kosten verringert, rein gar nichts.

Und auch bei den Karten kann es sein, dass man absolut nichts Gutes auf die Hand bekommt. Oder konsequent die falschen Symbole. Es geht, die eigene Strategie danach auszurichten, es macht einem das Leben aber deutlich schwerer, als wenn es bei den Kontrahenten nur so fluppt. Aber „Rats of Wistar“ ist, hat man die doch leicht sperrige Ikonografie erst einmal verinnerlicht, recht flott gespielt. Zwar kann man nicht immer gut vorausplanen, da die Mitspieler einem die Tour vermiesen und die angepeilten Plätze belegen können. Aber arge Downtime konnten wir nicht feststellen.

Auch ist das ganze nicht so komplex, dass es sich ausschließlich an Vielspieler richtet. Es ist sicher ein Kennerspiel, aber eher von leichtem bis höchstens mittlerem Niveau. Letztlich hat es uns trotz Glücksfaktor überzeugt und macht auch dank Knuddeloptik einfach großen Spaß.

„Rats of Wistar“ von Danilo Sabia und Simone Luciani
PD Verlag
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: circa 75 Minuten
Preis: circa 50