Darwin’s Journey

Mein Forscher hat es weit gebracht. Er hat Zelte auf der Insel aufgeschlagen, er hat Flora und Fauna erforscht und er hat das ein oder andere Fundstück an das Museum verschifft. Gute Arbeit, die Konkurrenz ist abgeschlagen. Aber es gibt noch viel zu tun… Briefe wollen nach Hause geschickt und besondere Aufgaben erledigt werden. Und dann ist da ja noch die Beagle, die darf ich nicht zu weit davon eilen lassen.

Darwin’s Journey ist eines dieser Spiele, in denen man eine Menge tun kann. Und auch muss, will man am Ende die meisten Siegpunkte eingeheimst haben. Der Mechanismus ist fast klassisches Worker-Placement. Vier solcher fleißigen Helfer hat man zu Beginn, ein weiterer kann sich dazu gesellen. Doch der ist – wie nahezu alles auf unserer Expedition – höllisch teuer.

Vorweg – „Darwin’s Journey“ ist hochthematisch und schafft das Kunststück, dass wir uns wirklich vorkommen wie der legendäre Forscher. Was für eine Freude, wenn man nicht nur eine seltene Tier- oder Pflanzenart entdeckt hat, sondern diese dann auch noch vor der Konkurrenz an das Museum überstellt hat. Oder wenn man dem Rivalen das so wertvolle Zelt wegschnappt, bevor dieser sich auch nur ansatzweise durch das Gestrüpp am Ufer gekämpft hat. Ja, das Spiel ist auch ein Wettrennen. Es vereint so viele Mechaniken, aber ohne diese einfach lieblos aneinander zu reihen, sondern diesen wirklich einen passenden Rahmen zu geben.

Wir klappern emsig insgesamt drei Inseln ab, um dort seltene Tiere oder Pflanzen zu entdecken, unser Zelt aufzuschlagen oder auch einfach mal Gold und Siegpunkte einzusammeln.

Damit das gelingt, da machen wir uns nichts vor, hat man zwischendurch einen gehörigen Knoten im Hirn. Die Regeln sind zwar komplex, aber nie zu schwer und immer gut verständlich. Bis man aber mal den Bogen raus hat, wie man aus den unterschiedlichsten Voraussetzungen das Beste macht, das dauert. Und gelingt auch nicht immer. Denn unsere Forscher müssen Schriftrollen nutzen, um überhaupt etwas tun zu können. Unterschiedlich farbige Marker zeigen nun an, wo dieser Forscher handeln kann. Zunächst steht einem ein mickriger Marker pro Forscher plus ein weiterer mit einem lila Token – einer Jokerfarbe – zur Verfügung. Damit lassen sich im wahrsten Sinn des Wortes noch keine großen Sprünge machen. Mit dem grünen Token darf der Forscher zum Beispiel zwei Schritte auf der Insel machen. Hat man später für eben jenen Forscher weitere grüne Token gesammelt, sind schon mehr Schritte erlaubt. Und hat man diese Fähigkeit voll ausgebaut, dann darf er sogar unterwegs ein Blümchen pflücken, Gold einsammeln oder ein Zelt aufschlagen.

So gestalten sich auch die anderen Aktionen – mit dem eigenen Schiff der Beagle hinterherfahren zum Beispiel. Denn nur, wenn man im Windschatten bleibt, darf man Punkte für die jeweiligen Rundenziele einheimsen. Ist man zu weit abgefallen, gibt es Strafe in Form von Punktabzug. Und diese Rundenziele sind es dann auch, die am ehesten eine Siegstrategie vorgeben. So gibt es zum Beispiel in Runde 4 Punkte für erforschte Tiere mit Tatzensymbol. Wohl dem, der diese unterwegs aufmerksam eingesammelt hat. Und natürlich gibt es auch auf dem Weg der Beagle Boni einzuheimsen. Diese sind wie auf den Inseln auch zuweilen denen vorbehalten, die diese zuerst passieren. Andere wiederum können auch von Nachfolgern genutzt werden. Zelte zum Beispiel sind dann aber teurer oder werfen weniger ab.

Nur wer früh einsetzt, bekommt eine Aktion noch umsonst. Und die Lupe eines Rivalen zu nutzen, kostet immer einen kleinen Obulus.

Bei den Kernaktionen Erkunden, Schifffahrt, Briefe schreiben (dem fleißigsten Schreiber winken am Ende der Runde – Überraschung – Boni wie Extrazüge) und Schriftrollen besetzen greifen zwei weitere perfide Mechanismen. Denn nur der jeweils erste in einer Sparte darf kostenlos ran, der nächste muss schon ordentlich Gold berappen, um dort ebenfalls tätig werden zu können. Und Gold ist vor allem zu Beginn höchst knapp. Ständig muss überlegt werden, welche Aktion man zuerst macht bzw. dem anderen wegschnappt. Zu ärgerlich, wenn der Marsch zum ersehnten Fossil daran scheitert, dass nur eine einzige Goldmünze fehlt.

Und das ist nur gefühlt ein Bruchteil dessen, was möglich ist. Mit Lupen lassen sich bessere Aktionen nicht nur freischalten, sie sind auch eine willkommene Einkommensmöglichkeit. Denn wollen Rivalen eine meiner Lupen nutzen, muss vorher Geld an mich fließen. Oder aber man bestückt das Museum. Tut man das früh, winkt Reichtum. Tut man das später, dann sammelt man Buchpunkte. Diese werden am Ende mit den Museumspunkten multipliziert und können einen nochmal ein gewaltiges Stück voran bringen. Oder aber man erfüllt Bonusziele in zwei Wertigkeitsstufen. Mit scheint es immens wichtig zu sein, den fünften Forscher früh freizuschalten. Dafür muss man aber nicht nur ein entsprechendes Ziel erfüllen, sondern auch direkt fünf Gold berappen. In den ersten beiden Runden meist ein Ding der Unmöglichkeit.

Kurz – jede Aktion ist wichtig und muss wohl überlegt sein Die Forscher können ja nur anhand ihrer Farbleiste eingesetzt werden. Hat man zum Beispiel einen Forscher mit einem gelben und drei blauen Token bestückt, ist dieser in Sachen Schifffahrt ein echter Experte. Was aber die grüne Fähigkeit der Erkundung angeht, kriegt er kein Bein auf den Boden. Ja, es lohnt sich sogar massiv, einen Forscher auf das Aktionsfeld Startspieler zu verwenden. Das gibt zum einen zusätzlich wertvolles Gold, zum anderen kann genau diese Möglichkeit den entscheidenden Vorteil bringen. Zu guter Letzt sind da noch die Spezialkarten. Jeder erhält zu Beginn drei. Diese Personalkarten zeigen jeweils eine benötigte Tokenkombination. Kann ein Forscher diese vorweisen, wird die Fähigkeit getriggert.

So viel zu tun, so wenig Mitarbeiter. Der Fachkräftemangel schlägt sich auch in Darwin’s Gefolge nieder. Umso wichtiger, die vorhandenen Mannen effizient einzusetzen. Und nie die Briefe nach Hause vergessen!

„Darwin’s Journey“ ist kein Blender in hübscher Verpackung, sondern für mich eines der Spiele dieses Jahres. Denn bei aller Komplexität und Grübelei ist es doch eher flott gespielt. In jeder Runde hat sich bislang ein guter Flow eingestellt und zuweilen reicht die Zeit sogar für eine zweite Runde. Das Spiel ist unglaublich variabel, da viele Felder wie zum Beispiel die Briefe oder Rundenziele zufällig gezogen werden. Es macht einfach unglaublich Spaß, aus den Gegebenheiten die beste Strategie rauszufinden. Aber schon bei Darwin hieß es „Das Überleben des Stärkeren“. Das Spiel verzeiht nicht den geringsten Fehler. Ich habe in einem Spiel in der ersten Runde durch zwei kleinere taktische Unachtsamtkeiten den Karren direkt so in den Dreck gezogen, dass ich meinen Gegner nur noch hab davonlaufen und -fahren sehen. Ein echtes Brett von einem Spiel, das aber sowohl in Thematik, Optik und Spieldesign auf ganzer Linie punkten kann.

Darwin’s Journey von Simone Luciano und Nestore Mangone
Skellig Games
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: circa 90 Minuten
Preis: circa 60 Euro