Ich gehöre ja zu der Kategorie Spieler, die ihr Material zwar nicht wie ein rohes Ei, aber durchaus pfleglich behandeln. Es gibt mir immer einen kleinen Stich, wenn ich Spielmaterial bekleben oder gar zerreißen muss. Selbst wenn es so essentieller Bestandteil ist wie bei den Escape-Spielen oder zum Beispiel „My City“. Ich mach das einfach nicht gerne. Punkt.
Und so startete dann auch der kooperative Durchmarsch durch die Kampagne von Robin Hood mit einer allzu pragmatischen Übung – der Suche nach einem Werkzeug, mit dem man die Plättchen spurlos wenden kann und das natürlich auch mehrfach. Eine Nagelpfeile wurde als Mittel der Wahl ausgemacht. Und das – hier wird der einzige Spoiler innerhalb dieser Rezension nicht zu vermeiden sein – ist nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Schon nach Kapitel zwei sieht das Material arg angegriffen aus.
Im Internet habe ich diverse Life Hacks gefunden, wie es mittels Saugnäpfen doch zu schaffen ist, den von Michael Menzel erdachten Spielplan in jungfräulicher Schönheit zu erhalten. Für mich kamen die zu spät, allein sagt das ja nun gar nichts über den Spielspaß aus.
Sherwood Forest statt Andor, Sheriff und Gehilfen statt dunkle Kreaturen – vieles ist vertraut und doch so anders. Michael Menzel gebührt wahrlich Respekt dafür, auf einem bekannten Spielprinzip aufbauend etwas gänzlich Neues geschaffen zu haben. Denn so bekannt die Protagonisten um Robin Hood, Maid Marian und Little John sind, so ungewöhnlich ist die Mechanik.
Denn wir bewegen uns komplett frei auf einem Spielfeld, um gemeinsam ein oder mehrere Kampagnenziele zu erreichen. Derer gibt es zunächst sieben, sie bauen aufeinander auf. Orte verändern sich, werden überhaupt erst entdeckt oder verschwinden wieder. Je nach Storyfortschritt und Entscheidung. Denn hier können die Spieler je nach Wahl unterschiedliche Wege einschlagen, so dass sich einzelne Kapitel anders spielen können.
Bewegung erfolgt über drei Spielsteine. Jeder Spieler hat eine Start- und eine Endfigur und kann dazwischen beliebig viele der Bewegungsfiguren nutzen. Spart er dabei die lange Figur ein, darf er einen weißen Würfel in den Beutel werfen. Dieser hilft später beim Kampf. Hier werden eine gewissen Anzahl Würfel aus dem Beutel gezogen. Violette Würfel kommen im Lauf des Kapitels genau wie weiße hinzu und zählen als Erfolg für den Gegner. So muss der Spieler in den regulären Kämpfen mindestens einen von insgesamt drei Würfeln in weißer Farbe ziehen. Spätere Szenarien oder Gegenstände können die Chance noch erhöhen oder verringern.
Zurück zur Bewegung: Hindernisse wie ein Fluss oder Wälder müssen umlaufen werden, Gegner genau erreicht werden, um diese zu bekämpfen. Dann kann es schon eine knappe Kiste sein, das Ziel zu berühren, bevor entweder die Wachen Alarm schlagen oder aber alle roten Sanduhren auf einer Zähltafel verschwunden sind. Die Reihenfolge, wer am Zug ist, geben unterschiedliche Steine im Beutel vor – jede Spielfigur hat eine eigene Farbe. Bei weißen Würfeln dürfen die Helden alle einmal in beliebiger Reihenfolge agieren. Der graue Stein lässt einen Helden der Wahl ziehen und bei rot sind nun die Wachen dran. Eine Sanduhr wird vom Stapel genommen und überhaupt sinkt die Tapferkeit. Dann wäre da noch die violette Scheibe, die uns unseren Erzfeind Guy von Gisbourne auf den Hals hetzt.
Tapferkeit sinkt, kann aber wieder erhöht werden. Dazu tun wir, was die Mannen aus dem Sherwood Forest eben am besten können: Wachen verhauen und Adlige ausrauben. Letzteres bringt im übrigen auch wertvolle Gegenstände, ohne die die späteren Kapitel schwerer zu schaffen sind. Weitere Varianz kommt durch Siegel ins Spiel, die jede Runde neu gezogen werden und Wachen, Adlige oder Kutschen auf das Spielbrett bringen.
Natürlich verrate ich hier nichts über die Story. Nur so viel – meine kleine Zweiertruppe ist fast durch, nur noch das Finale erwartet uns. Das Besondere: Die Geschichte wird in einem Buch erzählt, Keine schnöden Karten, keine Zettelwirtschaft – ein sehr hübsch gestaltetes Buch, das gut gegliedert ist und einen großartigen Überblick liefert. Allein mit dem Buch in der Hand am Spieltisch zu sitzen, Entscheidungen nachzuschlagen und Konsequenzen vorzulesen – das fühlt sich fantastisch an. Zumal es zunächst einmal Aufgabe der Spieler ist, zu erschließen, was überhaupt zu tun ist. Im ersten Durchlauf zumindest. Denn irgendwann hat man den Bogen raus. Man weiß einfach, wer wo was tun wird und wir haben uns bislang leider nicht richtig gefordert gefühlt.
Das Spiel macht Spaß, keine Frage. Es baut eine wunderbare Atmosphäre auf. Es sieht tadellos aus (zumindest im ersten Durchlauf) und das Material ist mit seinen Holzscheiben und Figuren prächtig anzuschauen. Der Spielplan ist eine Augenweide und es macht Laune, möglichst viel zu entdecken. Das alles passt wunderbar ineinander nur eines ist Robin Hood nicht – fordernd. Es kam uns leider nie wie ein großer Sieg vor, wenn wir ein Kapitel geschafft hatten. Gescheitert sind wir nie und wir haben mehrmals die Anleitung erneut gelesen, um zu schauen, ob wir einen Fehler machen. Haben wir aber nicht gemacht. Als wir dann durch Szenario 6 wie durch Butter durchmarschiert sind, ohne auch nur einmal wirklich ansatzweise in eine Bredouille zu kommen, haben wir uns schon ein wenig verdutzt angeschaut.
Mein Fazit fällt daher zwiegespalten aus. Ich mag das Spiel, ohne Frage. Ich habe es genossen. Und das ist doch am Ende entscheidend, oder? Wer es als das nimmt, was es ist, der wird sicher nicht enttäuscht – eine gute Geschichte, die man mitspielen kann. Da es unterschiedliche Entscheidungen gibt auch mehrmals. Nur merke ich schon jetzt, dass mir für einen zweiten Durchlauf dann doch das Erfolgserlebnis fehlt, das Gefühl, einen richtigen Gegner besiegt zu haben. Daran wird auch das noch ausstehende letzte Kapitel wohl nichts mehr ändern können. Guy von Gisbourne wurde uns zu keinem Zeitpunkt gefährlich und auch die Sanduhren waren genau einmal knapp bemessen. Mein Co-Gesetzloser teilt die Ansicht, möchte das Spiel aber in größerer Runde erneut durchspielen. Ich für meinen Teil werde nach dem Finale den Sherwood Forest wohl erst einmal hinter mir lassen. Gelegenheitsspieler oder auch all jene, die einmal eine wirklich interessante und gelungene neue Mechanik ausprobieren wollen, die sollten aber zumindest einen Abstecher nach Nottingham in Erwägung ziehen.
Die Abenteuer von Robin Hood von Michael Menzel
Kosmos
2 bis 4 Spieler
Dauer: unterschiedlich, da es verschiedene Szenarien gibt
Preis: Circa 45 Euro