Die Burgen von Burgund

Da war er nun, der „Lockdown light“. Keine Mittwochsspielerunde mehr, keine Vereinstreffen, nur mein Sohn und ich. Klar, der Haushalt beheimatet bereits eine ansehnliche Anzahl an Zwei-Personen-Spielen, aber in einschlägigen Foren geisterte immer wieder „Die Burgen von Burgund“ vor meinen Augen rum. Ein echter Kracher soll es sein, geradezu optimal für zwei Personen. Gut, also flugs bestellt, als das Spiel dann auch noch im einschlägigen Onlinehandel im Angebot zu haben war. Spiel geordert, Anleitung gelesen, das Gesamtkunstwerk aufgebaut – alle Hürden schienen gemeistert. Bis auf eine – der jugendliche Mitspieler.

Ne, das wäre echt hässlich. O.k., eine Schönheit ist das tatsächlich aus heutiger Sicht nicht. Und überhaupt, so unübersichtlich und so viele Regeln und so richtig Lust hatte der Sohn nicht auf den Klassiker von Stefan Feld. Aber seiner alten Mutter zu Liebe setzte er sich dann doch mit mir auf eine Partie hin. Und nicht nur, dass er Spaß gefunden hat am Burgenbau für Fortgeschrittene, ich hab auch überhaupt keine Schnitte gegen das Strategie-Mastermind.

Aber was tun wir nun eigentlich? Wir würfeln mit zwei bzw. drei Würfeln (sofern wir Startspieler sind) und klauben aus der Auslage das Plättchen, dass nicht nur ideal in unser Fürstentum passt, sondern auch noch genau für die Augenzahl zu haben ist. Denn das Fürstentum soll wachsen und sich ausdehnen. Eine Aufgabe, die nur auf den ersten Blick dem Würfelglück ausgeliefert zu sein scheint. Denn dieses lässt sich durch geschicktes Bauen, Planen und den Einsatz von Arbeitern durchaus zu unseren Gunsten wenden. Oder – wie in meinem Fall – wohl eher regelmäßig zu den Gunsten meines Sohnes.

Der eigenen Spielplan muss möglichst effektiv gefüllt werden. Wer eine Farbe am schnellsten verbaut hat, erhält Siegpunkte. Hier war jemand bei den blauen Sechsecken besonders erfolgreich.

Die Plättchen, die feil geboten werden, haben vielerlei Funktionen. Die grauen Sechsecke sind Minen, die schlicht Silber bringen. Dies benötigt man, um eines der Würfelaugen-unabhängigen Plättchen aus der Mitte des Planes zu kaufen. Mit zwei Silberlingen schlägt das teuer zu Buche, so dass das Graben nach Silber nicht vernachlässigt werden sollte. Dunkelgrün sind Burgen – diese geben schlicht einen virtuellen Extrawürfel. Wer eine Burg erhält, kann sich im Grunde einmal nehmen und bauen wo er will. Denn nicht nur das Kaufen wird durch Würfelaugen limitiert. Jeder Spieler hat einen Plan vor sich liegen, denn es nach Möglichkeit vollzubauen gilt. Dort sind Farbe und Würfelauge vorgegeben. Gebaut werden darf nur, wo es passt. Hellgrüne Plättchen sind Tierarten – je mehr davon in einem farblich zusammenhängenden Bereich – Stadt genannt – umso mehr Siegpunkte. Der Clou – alle zuvor gelegten Tiere gleicher Art, an die das neue Plättchen grenzt, zählen mit. Das kann sich zum Ende hin ganz schön summieren und in erfolgreicher Ausnutzung dieses Mechanismus vermute ich in den meisten der absolvierten Partien auch die Erfolgssträhne meines Sohnes.

Beige Plättchen sind Gebäude, die durchaus mächtige Einmalboni bieten. Zum Beispiel ein weiteres farbiges Plättchen aus der Auslage zu nehmen oder direkt vier Arbeiter zu erhalten. Mit den tüchtigen Mannen lassen sich nämlich die geworfenen Augenzahlen manipulieren. Ein Arbeiter pro Augenzahl, die man hoch oder runter rechnen möchte. Das wird naturgemäß im späteren Verlauf der insgesamt fünf Runden immer wichtiger. Frei nach der Devise: Was nicht passt, wird passend gemacht.

Gelbe Teile lassen sich für weitere permanente Boni verbauen. So darf zum Beispiel ab Einbau ein Gebäude in einer Stadt mehrmals vorkommen. Das erleichtert das Füllen der beigen Felder, von denen es in der Regel am meisten zu verbauen gilt, erheblich. Oder aber es regnet Siegpunkte für spezielle Gebäude. Zu guter Letzt gibt es die blauen Schiffe. Diese ermöglichen es entweder, auf der Brücke einen Schritt weiter Richtung Land zu ziehen und so den Startspieler zu geben. Oder aber es wird ein auf dem Plan befindliches Warenlager geleert. Von jeder Warenart werden fünf pro Rund in die Depots gelegt. Insgesamt gibt es sechs unterschiedliche Arten, jede steht für ein Würfelauge. Je drei unterschiedliche Waren dürfen die Spieler auf ihrem Plan ablegen und – wieder muss ein Würfelwurf die passende Augenzahl bieten – für Silber und Siegpunkte verkaufen. Der Ertrag lässt sich durch gelbe verbaute Plättchen noch steigern.

Nur drei Waren dürfen gelagert werden. Für den Verkauf winken Siegpunkte und Silbermünzen.

Der Startspieler erhält nicht nur den Vorteil, als erster aus der Auslage wählen zu dürfen. Er würfelt auch den weißen Würfel, der bestimmt, welche Ware in welchem Depot landet. Pro Runde fünf mal, denn jede Runde besteht aus fünf Durchgängen. Am Ende der Runden werden die Depots, anders als die Auslage der Bauplättchen, nicht geleert. Wer hier gutes Timing beweist, kann sich einige Siegpunkte sichern. Kriegsentscheidend ist das meist im Spiel zu zweit nicht. Wie sich das in Dreier- oder Viererpartien auswirkt, vermag ich natürlich noch nicht einzuschätzen.

Wer als erster einen Bereich einer Farbe vervollständigt oder sogar die Farbe komplett abgedeckt hat, erhält Siegpunkte und besondere Bonusplättchen. Je früher im Spiel, desto mehr Punkte gibt es. Wer es also schafft, früh ein Dreierfeld zu belegen, der zieht schon mal eine ganze Stange nach vorne. Uneinholbar ist das aber nie. So hatte ich in einer Partie deutlich die Nase vorn, bevor mein Sohn mir mit einer überaus beeindruckenden Schweinezucht am Ende grinsend noch den Sieg weggeschnappt hat.

Das Spiel lebt von der Knappheit. Die Auslage leert sich zusehends, Arbeiter und Silber gibt es in der Regel nie genug und jeder darf nur drei Plättchen horten, bevor zumindest eins verbaut werden muss, um ein neues nehmen zu können. Gelingt dies nicht, verfällt eines der bereits mühevoll gekauften. Natürlich kann das Sinn machen, wenn sich ein altes Plättchen einfach nicht mehr der aktuellen Taktik fügen mag. In der Regel ist das aber ärgerlich und sollte vermieden werden. Und beim Warenlager kann es sein, dass eine zu Beginn florierend erscheinende Ware am Ende so gar nicht mehr gezogen wird.

Um es kurz zu machen: Das Internet lügt nicht. Gut, zugegeben, auch in der Neuauflage entspricht das Spiel den heutigen optischen Maßstäben nur bedingt. Und selbst mit guter Lesebrille muss ich schon derbe mit den Augen knibbeln, um die Symbolik vor allem der gelben Plättchen zu entziffern. „Die Burgen von Burgund“ bei schummerig atmosphärischem Licht zu spielen ist eine denkbar schlechte Idee. Hat man aber einmal alle Symbole verinnerlicht, ist das kein Problem mehr und beim ersten Blick in die Auslage ist klar, was die einzelnen Teile können. Nie klar hingegen ist eine Gewinnstrategie. Denn die Varianz durch zufällig gezogenen Waren und Plättchen ist riesig, auch der Plan kann geändert werden. Es reizt ständig, einen neuen Versuch zu unternehmen und wenn man glaubt, man hat den einen Weg gefunden, dann kommt von irgendwo ein Schweinebauer und macht alles zunichte. Und – last but not least – das Spiel taugt wunderbar zu zweit und auch solo macht es durchaus Laune. Der Bot spielt gut mit es reizt einfach ungemein, den Plan innerhalb der vorgegebenen Züge vollzupuzzeln.

Die Burgen von Burgund von Stefan Feld

Ravensburger

Für 1 bis 4 Spieler

Dauer circa 60 Minuten

Preis circa 35 Euro