Die weiße Burg

Blindkäufe sind ja immer so eine Sache. Aber manchmal juckt es einen dann doch in den Fingern und ein Spiel landet aus den unterschiedlichsten Gründen im Einkaufskorb, ohne es je zuvor gespielt zu haben. Da mir „Die rote Kathedrale“ gut gefällt und ich bei Dice Placement eh schnell schwach werde, habe ich aus einem Impuls heraus und als verspätetes Geburtstagsgeschenk an mich selbst bei „Die weiße Burg“ zugegriffen – und es bislang keine Minute bereut.

Gärtner werden an Brücken platziert. Sie triggern dort eine Aktion. Liegt am Ende der ersten und zweiten Runde noch ein Würfel auf der Brücke, kann diese Aktion noch einmal genutzt werden – sofern man sie bezahlen kann.

Wir versuchen, Einfluss am Hof des Daimyo zu erlagen. Wir bemühen uns, unsere Höflinge in den einzelnen Räumen der Namen gebenden weißen Burg zu platzieren, auf Übungsplätzen mit Kriegern Boni zu erhalten und mit unseren Gärtnern erfolgreich zu arbeiten. Das ganze via Würfel, die wir auf Feldern platzieren dürfen. Diese zeigen ganz genretypisch eine Augenzahl, der Kniff bei „Die weiße Burg“ ist jedoch, dass der Würfel nicht die passende Augenzahl aufweisen muss. Ist die Augenzahl des Würfels geringer, muss der Spieler die Differenz in Münzen entrichten. Ist sie höher als gefordert, erhält er Münzen. Auf fast jedem Feld können zudem zwei Würfel gestapelt werden, der erste Würfel bedingt dann die Augenzahl. Ein schöner Mechanismus, denn ist man nicht nur variabler beim Legen der Würfel, man kann aber eine Aktion auch für den Nachfolgenden verteuern oder durch den Würfeleinsatz Geld generieren.

Denn welches Feld gewählt wird, will wirklich wohl überlegt sein. In nur drei Runden hat jeder Spieler lediglich zwei mögliche Würfel aus einer Auslage zur Verfügung – Kettenzüge einmal ausgenommen. Da ist jede nicht effektive Aktion eine verlorene Aktion. Die Würfel sind zudem noch einmal in drei Farben aufgeteilt. Die Einsetzräume in der Burg weisen je drei Würfelfarben auf, und nur die passenden Aktionen dürfen genutzt werden.

Die Würfel selbst liegen nach Augenzahl geordnet – von links ganz klein bis rechts hoch – auf einer wunderschönen plastischen Brücke, und nur die Würfel ganz rechts und links können genutzt werden, danach rutschen Würfel aus der Mitte nach. Wer den „kleinen“ Würfel ganz links nimmt, kann seine Laternenfunktion auf seinem Tableau nutzen und so Ressourcen, Siegpunkte oder Einfluss generieren. Einfluss bestimmt die Spielreihenfolge, eine nicht ganz unwichtige Größe im Spiel. An Ressourcen gibt es Nahrung, die für die Gärtner benötigt wird. Krieger wollen Eisen haben und mit Perlmutt öffnet man Höflingen Türen in die Gemächer der höheren Ebene in der Burg.

Aber was sind denn nun die möglichen Aktionen? Zum einen kann man in eben jener Burg Räume aufsuchen. Dafür gibt es Ressourcen, weitere Aktionsmöglichkeiten, Geld oder Einfluss. Gesteuert wird das über Karten, die wechseln, sobald ein Höfling einen Raum erreicht. Dann darf der Spieler die entsprechende Karte des Raumes nehmen und seinem Tableau zufügen. Je mehr Karten man hat, desto mehr Rohstoffe, Geld oder Einfluss erhält man während der Laternenaktion, die über den linken Würfel oder Aktionsfelder getriggert wird. Außerdem bietet je eine Karte eine Zusatzaktion auf dem persönlichen Tableau. Zu diesem aber später mehr.

Auf dem persönlichen Tableau lassen sich ebenfalls Würfel einsetzen. Vor allem oben beim roten Würfel würde sich das schon lohnen, da bereits zwei Höflinge weggeräumt wurden.

Würfel lassen sich auch einsetzen, um einen Krieger zu einem Übungsplatz zu entsenden. Dort bringt er am Ende Siegpunkte, direkt aber weitere Boni oder eine weitere Aktion. Als dritte Bevölkerungsgruppe entsendet man Gärtner an die Brücken. Bei Einsatz, der jeweils auch etwas kostet, triggert man einen Bonus. Sind am Ende der Runde noch Würfel auch der Brücke, triggert dieser erneut. Mitspieler können also Kontrahenten schwächen, wenn sie den letzten Würfel von einer Brücke entfernen. Etwas zocken ist hier sicher nicht verkehrt.

Die Gärtner werden zu Feldern unter den Brücken ausgesendet. Hier können dann Aktionen genutzt werden, die Boni bringen oder weitere Aktionen und die mal kostenlos sind, mal Ressourcen kosten – je nach Effekt der Aktion. Wenn am Ende der ersten und zweiten Runde auf einer Brücke noch mindestens ein Würfel liegt, kann die entsprechende Aktion erneut genutzt werden.

Wenn gar nichts geht, gibt es noch den Brunnen. Hier können beliebig viele Würfel mit beliebiger Augenzahl platziert werden. Es gibt zwei zu Beginn variabel ausgewählte Rohstoffe und ein wertvolles Siegel des Daimyos. Diese kann man im Spielverlauf immer wieder sammeln und bis zu fünf horten. Die Spieler benötigen sie, um wiederum andere Aktionen abzuhandeln oder aber um im Einfluss aufzusteigen.

Bis zu zwei mal können Würfel gestapelt werden. Der untere Würfel gibt dann an, welche Augenzahl für den nächsten Würfel ausschlaggebend ist.

Ein besonderer Platz pro Würfelfarbe findet sich auf dem persönlichen Tableau. Schicken wir fleißig Höflinge, Krieger und Gärtner an die Arbeit, legen diese Felder offen, die uns Nahrung, Eisen oder Perlmutt sowie Siegpunkte bieten. Platzieren wir einen Würfel auf dem jeweiligen Feld, auf dem eine 6 abgebildet ist, so können wir die jeweils freigelegten Felder plus eine Aktion am Ende, die von den am Start gezogenen bzw. aus der Burg erbeuteten Karten vorgegeben wird, nutzen. Ein Effekt, der im Verlauf der Partie natürlich mächtiger wird – wenn diese nicht nach nur drei Runden so schnell enden würde. Meine Gruppe hat übrigens kritisiert, dass eine vierte Runde gut gewesen wäre, um die eben geschaffene Engine auch richtig nutzen zu können. Ich selbst empfinde eben diese Verknappung als besonderen Charme, die die „Weiße Burg“ so besonders macht. Hach, hätte ich doch…dann könnte ich jetzt… ja, wirklich jeder einzelne Zug muss durchgegrübelt werden.

Und wer mich ein bisschen kennt, der weiß, wie fern mir durchgrübeln ist. Ich bin ein Bauchspieler, aber ertappe mich hier auch dabei, mehr als für mich selbst angemessen ins Denken zu verfallen. Vor Viererrunden sei hier dabei ausdrücklich gewarnt, wenn man das Spiel mehr als einmal am Abend auf den Tisch bringen will. Eine Dreierrunde spielt sich flüssig und hält die Downtime in annehmbaren Grenzen. Zu zweit habe ich den Titel noch nicht getestet, kann mir ob der vermutlich fehlenden Zwänge oder Feldknappheit aber nicht vorstellen, dass hier der Sweet Spot liegt.

Alles in allem ist der Titel für mich eine der positiven Überraschungen des Jahres. Vielleicht auch gerade weil ich mich im Vorfeld kaum informiert und einfach darauf eingelassen habe. Vor allem, weil es unfassbar viel und ansprechendes Material in einer doch recht überschaubaren Box zu einem guten Preis unterbringt. Und die kleinen Kniffe gewinnen alt bekannten Mechaniken neue Seiten ab. Im Spiel entsteht ein Flow, aus wirklich jedem Zug das Beste rauszuholen.

„Die weiße Burg“ von Shei S. und Isra C.
Kosmos
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: circa 90 Minuten
Preis: circa 32 Euro