Gloomhaven

Das Felsenherz schnappt sich behende das Geröll und schmettert dieses auf drei Feinde gleichzeitig. Klar, unser Schurke kriegt davon auch eine kleine Macke ab. Das macht aber nichts, das heilt die Sonnenhüterin in Windeseile wieder hoch, bevor sie den Rest der Gruppe mit einem Stärkungszauber bufft.

Hört sich nach Tumult an? Ist es auch! Gloomhaven ist alles, aber sicher nicht ruhig, besinnlich oder meditativ. Gloomhaven ist episch, Gloomhaven ist fordernd und Gloomhaven ist vor allem extrem spaßig. Vorarusgesetzt, man wagt sich mit einer eingespielten Truppe in die Untiefen der Namen gebenden Stadt. Sonst wird das ganze nämlich schnell ein frustrierendes Trauerspiel.

Anhand von Karten können wir Aktionen auslösen. Diese möglichst geschickt zu kombinieren und am Ende noch Karten auf der Hand zu haben, ist die Kunst dabei.

Ich hab mich ja etwas vor diesem Test gedrückt, gebe ich zu. Zu episch ist das Spiel und zu schwer denen zu beschreiben, die noch nie einen Blick darauf geworfen haben. Und dafür braucht es Zeit, bis alle Abenteuer durchgespielt sind, gehen zahllose Abende ist Land. Erst dann ist man durch im klassischen Sinne. Natürlich lassen sich auch die einzelnen Abenteuer als einzelne Happen erleben.

Das System dahinter ist komplett neu und erstmal nicht eingängig. Man wählt Karten für seinen Charakter, diese Karten geben jeweils zwei Möglichkeiten. Nach festen Vorgaben darf auf je zwei Karten eine davon gewählt werden, um so möglichst schicke Kombinationen aus dem Hut zu zaubern. Klar, je stärker der Charakter wird, umso mächtiger die Fähigkeiten. Doch Vorsicht – die Karten gehen nach und nach verloren. Und wer noch vor dem zweiten Raum ohne Karten da steht, für den ist das Abenteuer schneller beendet als erhofft.

Die zweite Besonderheit: Das Spiel entwickelt sich. Man startet als schwache Truppe in einer noch kleinen Stadt, mit unseren Taten wird diese ausgebaut und neue Möglichkeiten werden freigeschaltet. Neue Handelswaren zum Beispiel. Oder wir haben uns so wacker geschlagen, dass die Preise günstiger werden. Wählen wir den einen Weg, steht uns der andere im Anschluss womöglich nicht mehr offen. Entscheidungen stehen an allen Ecken und Enden an und sorgen auch gerne für Diskussionen unter den Helden. Lieber das Kätzchen aus dem verfallenen Haus retten oder weiterziehen? Was banal klingt, mag weitreichende Konsequenzen haben. Für das Ansehen ist es sicher nicht förderlich, das arme Tier seinem Schicksal zu überlassen. Blöd ist es aber auch, wenn man sich beim eigentlich überflüssigen Retttungsversuch für das folgende Abenteuer eine fiese Wunde einhandelt, die die Kampfkraft schmälert.

Denn – machen wir uns nichts vor – in Gloomhaven verhauen wir so einiges. Im Kern ist Gloomhaven ein Dungeoncrawler mit Deckbuilding-Elementen. Rein in die Höhle und im Idealfall mit Schätzen und erfülltem Auftrag wieder raus. Das kann klappen, muss es aber nicht. Scheitern gehört zum Handwerk. So kann es vorkommen, dass nach drei Stunden schlagen, heilen und zaubern alle tot sind. Dann heißt es – auf ein Neues beim nächsten Abend.

Im Dungeon versucht jeder seine Rolle so gut wie es geht zu erfüllen und ein gesundes Maß an Egoismus an den Tag zu legen. Klar, die Synergien müssen stimmen, aber letztlich möchte jeder doch möglichst viel Gold und Erfahrung für sich einheimsen. Da hilft es, wenn die Spieler regelmäßig gemeinsam am Tisch sitzen und eingespielt sind. Wenn der Tank sich drauf verlassen kann, dass die Heilerin auch reagiert, spielt sich das Abenteuer deutlich entspannter.

So greift die bekannte Spirale – Monster bzw. Gegner besiegen, Belohnung kassieren, Loot und Erfahrung einsacken und direkt ab in die nächste Schlacht. Zwischendurch noch flugs die Tränke auffrischen und eine bessere Rüstung kaufen, dann kann der nächste Brocken gerne kommen. Bis zur Rente zumindest. Denn in die werden die Charaktere nach Erreichen des Lebensziels geschickt und ein neu freigespielter Charakter steht zur Auswahl. Das motiviert und niemand trauert dem lieb gewonnenen Felsenherz zu lange hinterher.

Die Aufmachung ist im übrigen bombastisch. Zahlreiche liebevolle Details sind enthalten und Figuren warten darauf, von kundiger Hand angemalt zu werden. Dafür fehlt unserer Gruppe zugegeben das Talent, aber zwingend notwenig ist das auch nicht. Dabei hat das Spiel durchaus den Umfang eines kleinen Reisekoffers und mit Frosthaven steht bereits ein Nachfolger in den Startlöchern. Bis dahin wartet auf unser Trüppchen aber noch jede Mange Arbeit im mittlerweile gar nicht mehr so verschlafenen Gloomhaven.

Gloomhaven

Feuerland Spiele

2 – 5 Spieler

Dauer: variabel

Preis: Ca. 250 Euro