Mission ISS

Das war knapp. Fast – aber nur fast – hätten meine Mitingenieurin und ich es geschafft, das neunte Modul an die ISS anzudocken. Aber nur fast – die Zeit ist rum und wir müssen nochmal die Schulbank drücken. Denn wir haben zwar nicht glorreich, aber immerhin doch versagt bei der uns anvertrauten Aufgabe „Mission ISS – Manage the Station.“

Denn genau das sollen wir in dem Koop-Spiel, das von Dr. Thomas Uhlig vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit entwickelt wurde, tun. Die ISS von einem popeligen Labor zur beeindruckenden Raumstation ausbauen. Und nebenbei in zahlreichen Flavourtexten etwas über die moderne Raumfahrt und ihre Herausforderungen lernen. Und dass es auch auf einer internationalen Raumstation schon mal Schadenfreude geben kann, wenn man den metaphorischen Autoschlüssel im genauso metaphorischen Auto liegen lässt. Aber der Reihe nach…

Wird der blaue Würfel entfernt, gilt das Projekt als erforscht.

Was braucht man für das Spiel? Zunächst einen bis drei forschungswillige Partner. Check. Ein gewisses Faible für Technik und Raumfahrt. Check. Einen halbwegs großen Spieltisch. Check. Und die Bereitschaft zu guter und effektiver Abstimmung. Check. Die Voraussetzungen stimmen also, dann kann es ja losgehen. Die Regeln sind gut geschrieben und eigentlich ist die Übung auch selbst erklärend. Personal anheuern, forschen, Aufgaben bewältigen und wie so oft Fähigkeiten verbessern. Dabei sollte man darauf achten, möglichst breit aufgestellt zu sein. Ein Teil des Personals sollte gut zu Fuß sein, um die immer länger werdenden Wege in der Raumstation zu bewältigen. Denn die Zeit in Form des Rundenzählers wird stetig drückender und man möchte so viel an so vielen Orten machen. Denn die Kollegen müssen sich zwangsläufig unter die Arme greifen und da ist es nicht hilfreich, wenn alle wie am Krückstock durch die Gänge schleichen. Ein Teil sollte gut im Forschen sein, denn nur so lassen sich Projekte abschließen, Boni freischalten und Bedrohungen abwehren. Denn auf unseren Forschungsaufträgen, die zufällig gezogen werden, liegen blauen Würfel. Diese müssen – fast wie in einem Rollenspiel – via Fähigkeitsprobe beseitigt werden. Dabei können nicht beliebig viele Aufträge angehäuft werden. Ist der Vorrat der blauen Würfel auf den Karten verteilt, müssen rote Würfel gelegt werden. Eine böse Sache, denn dann herrscht Baustopp und es können keine neuen Teile angelegt werden. Und genau diese werden benötigt, um im Lauf der Runden nicht kläglich zu scheitern.

Forschen ist also essentiell, um überhaupt bauen zu können. Bauen wiederum führt, nachdem das neunte Modul liegt, zum Sieg. Dann geht es nur noch um den Schönheitspreis, wie viele Module wie schnell gelegt wurden. Aber bauen bringt auch neue Probleme mit sich in Form von Vorfallskarten. Bescheinigen diese euch einen „Good Job“, habt ihr gut gearbeitet und dürft euch lediglich auf die Schulter klopfen. Aber sie können auch das Vorankommen erschweren in Form von zusätzlicher Projekte. Oder sie verteuern schlicht den Bau weiterer Module. Hilfreich, wenn man Mannen (oder Frauen) an Bord hat, die sich auf den Bau von Modulen spezialisiert haben.

Unsere Astronauten machen sich ans Werk, zur Hilfe kommt ihnen ein kleiner Roboter.

Ganz nett – Hilfe kann auch in Form von Robotern erfolgen, die man als Belohnung für Projekte oder durch eigene Aktionen erhält. Welche Aktion man durchführen kann, ergibt sich durch einen cleveren Kartenmechanismus, das vermutlich innovativste Element von Mission ISS. Man darf jeweils eine seiner eigenen Karten und eine Karte des Nachbarn spielen. Abgeschlossene Projekte sind Jokeraktionen, die jeweils einmal genutzt werden können. Ist der Vorrat eines Spielers vorbei, läutet er ein Rundenende ein. Dann rückt der Zähler gnadenlos vor und Effekte wie das Auflevein von Personal werden ausgelöst. Da ist es schon zuweilen knifflig zu entscheiden, ob man lieber noch zur Jokerkarte greift, bevor man das Rundenende zulässt.

Wenn man Mission ISS eins nicht vorwerfen kann, dann dass es unthematisch ist. An jedem noch so kleinen Detail lässt sich erkennen, dass hier Profis in Sachen Raumfahrt ihre Finger im wahrsten Sinn des Wortes im Spiel hatten. So rechnen wir nicht einfach Runden ab, sondern arbeiten uns vom Jahr 1998 in das Jahr 2011 vor. Unsere Astronauten sind immer einer Nation zugeordnet. Das ist spielmechanisch irrelevant, lässt aber gut das Flair der internationalen Raumstation greifbar werden. Und für die, die immer schon gerne das kleine bisschen mehr hatten, bringen die Astronauten sogar Rucksäcke mit, die man ihnen aufsetzen kann. Hach, schön. Ein ganz, ganz kleiner Minuspunkt – wenn sich mehrere Astronauten in einem Modul sammeln, dann kann es da ordentlich eng werden. Wir hatten nicht selten den Fall, dass unser Modul nahezu wegen Überfüllung geschlossen werden musste.

Wir sind bereits im Jahr 2010 angekommen und müssen noch Module bauen, um nicht zu verlieren. Das wird eng.

Und dann die Projekte – man erfährt eine Menge über Raumfahrt, so im Vorbeigehen. Das ist mal sehr technisch, mal aber auch schön humorig. Wie eben in dem Fall, in dem wir unser Werkzeug liegen lassen. Genau in der Luke, die wir nicht mehr aufbekommen und reparieren sollen. Die Sache mit dem Schlüssel und dem Auto, Sie erinnern sich?

Optisch ist das Spiel absolut gelungen. Hervorragendes Material, bei dem erfreulicherweise nicht an Handlichkeit gespart wurde. Das braucht seinen Platz, aber das zahlt sich auch aus. Man darf schon ein wenig staunen, wenn man all das aus der Packung pöppelt, was zum Management einer ISS so dazu gehört.

Mission ISS wird nicht jedem Spieler gefallen. Wer sich sonst stundenlang in Knobelaufgaben verbeißen kann, der hat sicher Spaß an der Tüftelei. Mission ISS ist eher eine Denksportaufgabe als ein Spiel, nur eben in sehr hübsch und sehr thematisch. Und das alte Problem – der Alphaspieler am Tisch weiß wieder ganz genau, was wann zu tun ist. Nur sehr eingespielte Gruppen werden an dem Raumfahrt-Management ihre Freude haben. Wer nur selten kooperativ spielt und sowieso lieber Entscheidungen aus dem Bauch fällt – was im übrigen auch auf die Autorin dieser Zeilen zutrifft – wird sich mit Mission ISS schwerer tun. Das darf dem Spiel natürlich nicht vorgeworfen werden, denn dies macht letztlich in Design und Mechanik alles richtig. Der Schwierigkeitsgrad kann zudem durch weniger oder mehr „Good Job“-Karten eingestellt werden.

Mission ISS – Manage the Station von Michael Luu
Schmidt Spiele
für zwei bis vier Spieler
Dauer: circa 90 Minuten
Preis: circa 30 Euro