Ich gebe es zu. Auch mein Blog hat einen Pile of Shame, der tatsächlich noch höher ist als derjenige im heimischen Spieleregal. Da liege ich mittlerweile ganz gut im Rennen und habe nur noch wenige Titel, die darauf warten, ausgetestet zu werden. Bei „Planet Unknown“ kann ich langsam keine Ausreden mehr gelten lassen – mehrfach in unterschiedlicher Besetzung gespielt, wartet mein Eindruck jetzt nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden.
Es ist allgemein bekannt, dass ich einen Brettspielfetisch habe. Bei Plättchenlegespielen kann ich nicht nein sagen. Wann immer man möglichst kunstvoll Pappplättchen (ein bezauberndes Wort, nicht wahr?) an Pappplättchen reihen muss zwecks Anhäufung von Siegpunkten, bin ich an Bord. Und diesmal bin ich wirklich an Bord, denn ich bin unterwegs zu einem unbekannten Planeten, den es zu besiedeln gilt. Und das, so viel vorweg, macht einen Heidenspaß.
So war „Planet Unknown“ dann auch ein Blindkauf auf der letzten Spiel in Essen als Geburtstagsgeschenk an mich selbst. Dumm nur, dass ich den Brecher dann wieder zurück durch alle Hallen zum Auto schleppen musste, denn das Teil wiegt schon ein bisschen was. Aber es macht auch richtig was her. Und es ist vermutlich das einzige Spiel der Welt, zu dessen Zubehör unbedingt serienmäßig eine Duschhaube gehören sollte. Tut es aber und ich war bislang noch zu faul, mir das so notwendige Equipment zuzulegen. Aber wer einmal alle Plättchen aus der nach oben offenen Raumstation S.U.S.A.N. dank Schräglage des Kartons verloren hat und wieder mühsam einräumen muss, der wird sich eine solche Duschhaube sehnlichst herbeiwünschen.
S.U.S.A.N. beinhaltet jedenfalls in mehreren Sektoren die Plättchen in jeweils zwei Größen. Jeder Spieler sitzt vor einem Sektor, der Startspieler dreht die Raumstation und nun suchen sich alle gleichzeitig eines der beiden Teile vor sich aus und puzzeln es ein. Und das – wie sollte es anders sein – nach hinlänglich bekannten Legeregeln. Am Rand beginnen und dann schön immer weiter senkrecht oder waagerecht angrenzend Richtung Planetenmitte. Und natürlich bringen am Ende vollständig verpuzzelte Reihen und Spalten Siegpunkte. Es gilt, den eigenen Planeten vor sich effektiv, aber nicht planlos vollzupuzzeln. Denn was wohin kommt, das ergibt sich aus den jeweils zwei Abschnitten auf den Plättchen. Diese zeigen eine Geländeart und eine Ressource. Jeder Spieler verfügt über eine Ressourcenleiste. Legen wir nun ein Gebiet an, können wir den Marker für die beiden abgebildeten Ressourcen höher rücken. Das bringt uns verschiedene Boni – je nach Art.
Biomasse bringt uns schlicht Bonusplättchen, die wir direkt oder eventuell auch erst am Ende in Lücken puzzeln, um Reihen oder Spalten doch noch zu vervollständigen. Bevölkerung kann uns spezielle Karten schenken, die Sofort- oder Spielendeeffekte aufweisen. Wasser garantiert uns viele Siegpunkte, aber nur dann, wenn die Wasserressource auf einem Eisfeld der Planeten platziert wird. Bewegung erlaubt es uns, einen Rover oder mehrere Rover einzusetzen und damit den Planeten zu befahren. Diese Rover sammeln Rettungskapseln ein, die am Ende Siegpunkte bringen. Oder sie entfernen Meteoriten, die möglicherweise die Wertung unserer Reihen und Spalten zunichtemachen. Mit Technologie schalten wir Fortschritte frei, die es uns zum Beispiel erlauben, nicht mehr benachbart anzulegen oder aber die Bonusplättchen bis zum Schluss aufzuheben. Energie ist eine Art Jokerressource, mit ihr können wir eine benachbarte Ressource kopieren.
Außerdem gibt es Bonusziele, bei denen wir uns jeweils mit unseren beiden Sitznachbarn um den Podestplatz rangeln. Diese können am Ende das Zünglein an der Waage sein, wenn es um die Endwertung geht. Zu dieser kommt es, wenn entweder ein Mitspieler kein Plättchen des aktuellen Sektors mehr regelkonform einpuzzeln kann oder aber die zwei Fächer eines Sektors leer sind.
„Planet Unknown“ hat keine allzu schweren Regeln. Aber eine hohe Variabilität, da die Auslage immer unterschiedlich gestaltet werden kann. Die Karten und Bonusziele wechseln und kein Spiel gleicht dem anderen. Und wem das Grundspiel zu leicht ist, der bekommt direkt schon eine kleine Erweiterung mitgeliefert, denn jeder Konzern verfügt neben der einfachen Grundvariante über eine Rückseite mit Spezialfähigkeiten.
Das Material ist erstklassig. Alles ist hübsch, übersichtlich und lässt keine Wünsche offen (ok, von der Duschhaube mal abgesehen). Die kleinen Rover, Rettungskapseln und Meteoriten sind gut gestaltet und die Anleitung ist klar strukturiert und beantwortet alle Fragen. „Planet Unknown“ zeigt, wie man dem scheinbar ausgelutschten Genre neue Ideen abgewinnen kann. Witzigerweise kam mit „Tipperary“ fast zeitgleich ein Spiel auf den Markt, das einen ganz ähnlichen, fast identischen Plättchenauswahlmechanismus anbietet – nur ohne Raumstation, dafür Zufallsrad. Es ist ein Wohlfühlspiel, das auch Wenigspieler nicht überfordert, sondern durch die zwei Konzernseiten erst an die Hand nimmt, um ihnen später größere Herausforderungen zuzutrauen. Es spielt sich angenehm flüssig, denn da alle gleichzeitig agieren, kommt es kaum zu Downtime. In den ersten Runden empfiehlt es sich aber, dennoch die Aktionen nacheinander abzuhandeln, um Sicherheit zu gewinnen, was die einzelnen Ressourcen können. „Planet Unknown“ lebt davon, durch geschicktes Nutzen der Ressourcen Synergien zu schaffen. Denn an einigen Stellen der Ressourcenleiste erlaubt das Überspringen, weitere Aktionen als Bonus zu absolvieren. Wer hier das richtige Timing hat, der kann schnell mal vier oder fünf Aktionen in einer Kette auslösen.
„Planet Unknown“ von Ryan Lambert und Adam Rehberg
Strohmann Games
Für 1 bis 6 Spieler
Dauer: circa 90 Minuten
Preis: circa 55 Euro