Und plötzlich ist es vorbei. Ich schnappe mir das letzte große Artefakt und das Spiel ist zu Ende. Mein Kontrahent hätte gerne noch weiter erforscht, gebaut und vor allem die großen Orte besiedelt, die am Ende nochmal ordentlich Siegpunkte bringen. So kommt es, wie es kommen musste. Dank einer Vielzahl von geborgenen Schatzkisten und den entsprechenden Multiplikatoren konnte ich mir einen gehörigen Vorsprung erarbeiten. Ja, „Revive“ ist eines dieser Spiele, bei denen man denkt, ich hätte doch noch so gerne… Auch wenn man natürlich jederzeit ungefähr erahnen kann, wann das Ende kommt, kann es dann doch überraschend erfolgen. Und damit muss man erstmal umgehen können.
Worum es geht? Daraus macht das Spiel erstmal ein Geheimnis. Eine Geschichte gibt es zunächst nicht, diese erschließt sich erst nach Absolvieren der Kampagne, deren Inhalt ich hier nicht spoilern werden. Das Ding ist aber gut gemacht, es gibt reichlich Background-Geschichte und neue Völker, Plättchen oder Mechaniken werden stimmig eingeführt. Das ist prima gemacht und jeder sollte die auch so im Regelheft deutlich formulierte Anweisung, tunlichst erst die Kampagne zu spielen, auch beherzigen.
Wir finden vor uns einen mit Eis bedeckten Planeten, dessen Regionen wir zunächst erkunden müssen. Dazu drehen wir die Plättchen um, wofür wir zum einen Siegpunkte erhalten und weitere Karten, die wir in der aktuellen Runde noch ausspielen können. Denn vieles wird in „Revive“ mittels Karten gesteuert, das Spiel verzahnt verschiedene Mechaniken wie Deckbuilding, Engine-Buildung und Wettrennen miteinander. Haben wir oder die Gegner ein Plättchen erkundet, kann dort gebaut werden. Auf Wüstenfeldern werden große oder kleine Gebäude platziert, die Boni er umliegenden Felder abgreifen. Oder aber wir bevölkern einen Ort, damit schalten wir Technologien auf unserem Playerboard frei. Alle drei Aktionen – Erkunden, Bauen und Bevölkern – benötigen Nahrung, mit der wir die zurückgelegte Entfernung „bezahlen“. Zunächst starten wir an einem Abgrund, später wird diese von unseren Bauten oder Bevölkerungsfiguren aus berechnet. Bevölkern kostet die Ressource Bücher und das Bauen erforderta Zahnräder. Zu den drei Grundressourcen gesellt sich noch Kristall, das zum einen als Joker eingesetzt werden kann, für andere Aktionen aber auch gezielt benötigt wird.
Wir starten mit einem Volk, das eine besondere Spezialfähigkeit besitzt. So können die 10×45[ (ja, die heißen wirklich so) Nahrung gegen Siegpunkte eintauschen. Diese Spezialfähigkeit wird durch Karten ausgelöst. Jedes Volk verfügt über ein Startdeck, die Karten verfügen über eine obere und untere Leiste. Das Playerboard wiederum weist vier, später fünf Slots auf, in die die Karten gesteckt werden können. Steckt man sie oben rein, triggert der obere Effekt, unten triggert der Effekt am unteren Rand. Der fünfte Slot, der erst durch Bevölkerung freigespielt werden muss, erlaubt es, zu entscheiden, welche Seite der Karte man nutzen will. Zudem gibt es im späteren Verlauf Karten, die eine Markierung aufweisen, die es erlauben, eine weitere Karte einzustecken. Der Effekt der Karte kann eine oder mehrere Ressourcen sein, das Nutzen der Spezialfähigkeit oder aber auch die Möglichkeit, Ressourcen zu tauschen oder Karten direkt in den Ruhebereich zu legen, wodurch sie in der nächsten Runde direkt wieder auf der Hand sind. Zudem gibt es die Möglichkeit, Bonusplättchen in die Slots zu legen. Passt die Farbe zu der Farbe des Plättchens, gibt es eine weitere Belohnung, meist Ressourcen. Wohl dem, der direkt durchschaut, wie welche Karte am besten zu nutzen ist. Nach diversen Partien hat man aber ein ganz gutes Gefühl dafür, was stark ist und was besser bis zur nächsten Runde warten sollte, weil es dann erst richtig effektiv wird. Denn Karten, die in der Runde nicht genutzt werden, bleiben auf der Hand. Diese wird mit Beginn jeder neuen Runde durch den Ruhebereich aufgefüllt, die Karten aus den Slots bilden den neuen Ruhebereich.
Jeder Spieler kann in seinem Zug bis zu zwei Aktionen machen. Eine Karte spielen, Erkunden, Bauen, Bevölkern oder den Schalter nutzen, der einem zu Beginn eine Extrasressource bringt, im Verlauf der Kampagne aber noch stärker wird. Daneben gibt es freie Aktionen wie Ressourcen tauschen, Energie nutzen oder eine Kiste öffnen. Energie braucht man für die verschiedenen Maschinen, die man unterwegs freischaltet. Jeder Spieler hat einen Parcours aus einem grünen, gelben und grauen Weg. Durch Erkunden oder andere Spezialaktionen schreiten die Spieler dabei auf den Leisten voran und räumen Plättchen aus dem Weg. Diese erhöhen zum einen den Siegpunktescore, zum anderen geben sie Maschinen frei, die uns zum Beispiel erlauben, in größerer Reichweite zu erkunden, uns ein Bonusplättchen für einen Slot zu nehmen oder aber am Ende Siegpunkte für gewisse Voraussetzungen bringen.
Außerdem hat jeder Spieler ein Artefaktkarte. Dort sind die großen Artefakte in je drei Farben speziellen Bedingungen zugeordnet, zum Beispiel wie in meinem Fall zwei Siegpunkte je Schatzkiste am Ende des Spiels. Hab ich dann noch drei passende violette große Artefakte, wird die Punktezahl noch einmal entsprechend multipliziert. Es lohnt sich also, diese Artefakte in der möglichst passenden Farbe zu sammeln. Diese gibt es beim Voranschreiten auf der großen Siegpunktleiste oder aber durch das Wegräumen von Markern auf dem Playerboard auf dem grünen, grauen oder gelben Weg. Auch befindet sich bei den Technologien am Ende jeder Reihe ein Artefakt als Belohnung.
Denn wenn wir bevölkern, schalten wir Technologien frei. Die erste ist immer vorgegeben, danach verzweigen sich die Möglichkeiten und es lässt sich immer nur dort freischalten, wo bereits vorher geforscht wurde. Das bringt neben den Technologien – darunter der wichtige fünfte Slot – auch weitere Siegpunkte Energie oder ein Artefakt. Außerdem hat jedes Volk noch eine besondere Fähigkeit, die so freigespielt werden kann.
Kann oder will man keine Aktion mehr ausführen, wird überwindert. Dafür gibt es ein kleines Goodie in Form von Bonusplättchen, Kristall oder Siegpunkten. Man erhält sämtliche ausgegebene Energie zurück und der Schalter kann erneut genutzt werden. Außerdem werden die Karten neu sortiert.
In „Revive“ gibt es keinen erkennbaren Königsweg zu Erfolg. Nie im Leben hätte ich vorher gedacht, dass die Schatztruhen-Strategie mit zum Sieg führt, mein Gegner war viel zu gut in punkto Ressourcen und seine Volksfähigkeit fand ich gefühlt viel stärker. Jede Partie verläuft anders, zumal der Spielplan durch die variablen Plättchen variiert. Vielleicht kann man sagen, dass es unerlässlich ist, möglichst früh den fünften Slot freizuspielen, aber das ist auch nicht allzu schwer. Wichtig ist es auf jeden Fall, ein Händchen dafür zu haben, wann man überwintert. Es ist ungemein reizvoll – und in anderen Spielen ein fast unausgesprochenes Gesetz – aus den ausliegenden Karten das Maximum herauszuholen. Hier noch ein Kristall, da noch was bauen und vielleicht doch noch die Karte spielen, um zwei Bücher zu schnappen. In „Revive“ kann das aber ein Fehler sein. Manchmal ist es besser, Karten für die nächste Runde aufzuheben, konkrete Zeile zu forcieren statt alles machen zu wollen, denn sonst läutet der Gegner das Ende ein, noch bevor meine Engine richtig ins Rollen gekommen ist. Hier ein Gespür fürs Timing zu haben, ist ein klarer taktischer Vorteil.
„Revive“, das sich übrigens auch exzellent zu zweit spielt, ist ohne Frage ein ultraknackiges Expertenspiel. Selbst ich Bauchspielerin bin das ein oder andere Mal in Grübelstarre verfallen, da die Möglichkeiten trotz ständigen Ressourcenmangels schier endlos sind und man sich ständig fragt, was in welcher Reihenfolge am meisten Sinn ergibt. Letztlich geben die vier großen Orte mit ihren Endbedingungen für den Sieg und die eigene Artefaktkarte grob den Kurs vor, aber unterwegs mangelt es nicht an Entscheidungen, die zu treffen sind. Und so ganz kampflos will man dem Gegner nun doch nicht das Feld an der ein oder anderen Stelle überlassen. Sei es nun auf dem eisbedeckten Planeten oder in der Kartenauslage.
Ich mag „Revive“. Es ist kein Wohlfühlspiel, in dem sich wie zum Beispiel bei „Barcelone“ (der Test folgt noch, versprochen), ein Flow entwickelt. Es ist schon ein Monster von einem Spiel, dass es einem erstmal nicht leicht macht. Ob es ein Evergreen wird, der ständig wieder auf den Tisch kommt, das mag ich noch nicht beurteilen. Da gab es andere Titel in diesem Jahr (ein erneutes „Hallo“ an Barcelona), die mich mehr gepackt haben. Aber es ist zweifelsohne ein gutes, variables und vom Material her ansprechendes Spiel für erfahrene Brettspieler.
„Revive“ vonKristian Ostby, Helge Meissner, Anna Wermlund und Eilif Svensson
Pegasus
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: circa 120 Minuten
Preis: circa 55 Euro