Hach was hab ich es geliebt, mit Geralt von Riva durch die Welt zu streifen, Monster zu töten und üble Schergen zu verhauen. Alle drei PC-Spiele, die Serie und einige Bücher hab ich verschlungen, da darf das Brettspiel nicht fehlen. Das spielt zwar in der Zeit vor Geralt, aber bekannte Orte wie Novigrad sind auf der hübsch gestalteten Weltkarte ebenso zu finden wie bekannte Monster. Tränke sind wichtige Kampfelemente und auf den Karten finden sich die Zeichen wie Aard und Igni wieder. Und mit CD Project Red sind sogar die Entwickler des PC-Spiels mit an Bord. Kann also nichts schiefgehen? Oh doch!
Wie drücke ich das jetzt nett aus? Schließlich entsteht dieser Text am Heiligen Abend, da will man ja nicht fluchen. Und schon gar nicht die Heimstatt des Teufels erwähnen. Aber ganz ehrlich? Das Spiel hat eine Downtime aus der Hölle. Bis es ans Kämpfen geht, zieht sich das Spiel wie Kaugummi unter dem Turnschuh eines achtjährigen Grundschülers. Und wenn man dann noch vom Glück sträflich vernachlässigt wurde, schaut man den Kontrahenten gefühlt stundenlang beim Abhandeln diverser Aktionen zu, während man selbst nur kümmerlich agieren kann. Und dann – wieder wartet!
Aber was tun wir denn nun? Wir reisen mittels Karten durch die Welt und handeln auf den Orten, die wir besuchen, Aktionen ab. Die Karten zeigen die Symbole für Wald, Gebirge und Wasser und wir dürfen jeweils an den Ort reisen, der zum einen via Weg zu erreichen und mit dem entsprechenden Symbol verbunden ist. Wir steigern rollenspiel-typisch Angriff, Verteidigung und Alchemie sowie die Spezialfähigkeit des Charakters. Haben wir alle Fähigkeiten um einen gewissen Wert erhört, steigt unsere Stufe. Wir können Gerüchten lauschen und damit Spuren vom Monstern erhaschen oder Würfelpoker spielen. Ein kleines Glücksspiel gegen Dorfbewohner oder Kontrahenten, mit dem man die Reisekasse aufstocken oder – wie in meinem Fall – immer wieder verlieren kann. Wir können unsere Hexerschule besuchen und dort unsere Spezialfähigkeit trainieren oder die Kartenauslage, aus der wir am Ende eine neue Karte kaufen müssen, modifizieren. An zwei Orten erhalten wir einen Trank, von denen wir vier tragen und entsprechend unserer Alchemiestufe nutzen dürfen.
Ziel des Spiels ist es, Trophäen zu erlangen. Dafür betreiben wir Deckbuilding, denn mit den Karten wird nicht nur gereist, sondern auch gekämpft. Und zwar wahlweise gegen Monster oder gegen einen anderen Hexer. Ist der Angreifer siegreich, erhält er eine Trophäe. Hat er derer vier, hat er das Spiel gewonnen. Eine Trophäe lässt sich auch durch Meditation erlangen, allerdings nicht die finale Fünfte, diese muss hart erkämpft werden. Der Kampf erfolgt nach einem Kartenmechanismus, in dem man farbige Combos aufbaut. Dafür muss man ein wenig Glück haben, dass die Auslage entsprechende Karten anbietet. Das Deck optimieren ist dabei der Schlüssel zum Erfolg, denn immer wieder hat man die Gelegenheit, weniger nützliche Karten zu vernichten. Der Clou ist es dabei abzuwägen, welche Karten man für die Reise braucht und welche für den Kampf.
Immer wieder stößt man an den Orten auf Ereignisse, die eine Entscheidung fordern. Diese hat wahlweise sofort Konsequenzen oder mündet in einer Quest, für die wieder ein Ort besucht werden muss, um sie abzuschließen. „The Witcher“ gibt sich als Abenteuerspiel, das aber für meinen Geschmack einen viel zu hohen Glücksfaktor hat. So kann es sein, dass die Rivalen bei beim Erkunden und ihren Entscheidungen, Gold und Belohnungen erhalten, man selbst aber mehrmals hintereinander entweder gar keine positiven Erlebnisse triggert oder sogar Mali einfährt. So kann man in einen Teufelskreis geraten, dass man kein Geld mehr hat, um bei den Entscheidungen überhaupt wählen zu können und so die deutlich schlechtere Alternative nehmen muss. Reisen geht auch nicht, da die Karten nicht passen und die letzte Rettung Würfelpoker schlägt sage und schreibe fünf mal hintereinander fehl. Dann ist der betroffene Spieler schlicht machtlos und wird gespielt, statt selbst aktiv eingreifen zu können. Das wäre tatsächlich zu verschmerzen — – und ich mag durchaus einen gewissen Glücksfaktor – wenn es nicht schier endlos dauern würde, bis man wieder an der Reihe ist. Unsere Partie zu dritt schlug mit vier Stunden zu Buche, von denen jeder Spieler gefühlt drei Stunden Wartezeit auszusitzen hatte. Das ist nicht nur mir, sondern auch einem eigentlich sehr geduldigen Mitspieler übel aufgeschlagen. Partien zu viert, so wurde mir bestätigt, werden auch gerne mal abgebrochen und mir graut es schlicht davor, mich dieser Erfahrung noch einmal auszusetzen.
Downtime ist immer dann noch erträglich, wenn man gedanklich auf die Züge der anderen reagieren muss. Hier aber nicht – der Weg ist vorgegeben und allerhöchstens Kleinigkeiten müssen neu bedacht werden, bis man wieder dran ist. Während man wartet, kann man sich gut und gerne Gedanken zu anderen, vermutlich spannenderen Dingen machen. Was muss ich in den nächsten sechs Wochen einkaufen? Oder ich gehe einfach schonmal die nächste Steuererklärung durch. Oder ich lerne zwei oder drei Gedichte auswendig… Ich hab mich dabei erwischt, dass ich es für deutlich spaßiger gehalten habe, den Wäscheberg zu bewältigen, der noch im Nebenzimmer auf Aufmerksamkeit gewartet hat. Das muss ich nun heute machen, wo doch gestern so schön Zeit dafür gewesen wäre. Aber ich schweife ab, Wenn ich endlich wieder an der Reihe bin, versuche ich, meinen durch schlechte Ereignisse entstandenen Malus in Kampfpunkten aufzuholen, endlich irgendwie an Gold zu kommen und vielleicht doch noch ein Monster zu erschlagen. Und siehe da, ich schaffe es doch tatsächlich noch, den Werwolf zu erledigen. Mehr Spaß hab ich an dem Spiel jetzt trotzdem nicht und bin froh, wenn ich wieder auf dem PC auf meinem Pferd Plötze durch die Welt reiten oder vielleicht nochmal die grandiose erste Staffel der Serie anschauen kann.
„The Witcher – The Old Word“ von Luskasz Wozniak
Von Goon Board
Für 1 bis 5 Spieler
Dauer: VIel, viel, viel zu lange
Preis: Circa 75 Euro