Wundersame Wesen

Unsere Crew ist gelandet auf diesem wunderschönen, idyllischen Eiland. Und meine dezent in pink gewandete Kapitänen reitet auf ihrem imposanten gelben Urtier voran. Nun gilt es, die heimische Fauna zu entdecken. Und die ist im wahrsten Sinn des Wortes vor allem eines – wundersam! Denn was hier so keucht und fleucht ist sehr phantasievoll, nicht sonderlich scheu und, was uns natürlich besonders wichtig ist, ermöglicht Synergien die am Ende Siegpunkt um Siegpunkt in unser Boot schippern lassen.

Es gibt jede Menge zu entdecken, Ressourcen zu sammeln und wenn es passt, können wir hier auch direkt Karten erhaschen.

Bevor es aber soweit ist, müssen wir uns erstmal Ressourcen besorgen, denn auch das putzigste Tierchen will nicht ohne angemessene Entlohnung in Form von Frucht, Pilz oder Koralle mit auf unseren Kahn kommen. Dazu schicken wir eines unserer Besatzungsmitglieder, die doch sehr einer urzeitlichen Echse ähneln, auf die Insel um fleißig zu sammeln. Zum einen eben jene Ressourcen, aber wenn es gut läuft vielleicht auch Eier. Denn diese brauchen wir zum einen, um bestimmte Aktionen oder Erfolge zu absolvieren, zum anderen gehören sie wie die Wesen auch zu unterschiedlichen Spezies, und wenn wir es schaffen, hier ganz im Sinn guter, alter Set-Collection bei einer oder mehreren Spezies die Nase vorn zu haben, erhalten wir einen Erfolg und einen Pokal. Sind alle Pokale vom Brett abgegrast, wird das Spielende eingeläutet. Zum anderen gibt es Karten, die wiederum am Ende Siegpunkte für bestimmte Spezies einbringen. Das Kartenmanagement erinnert tatsächlich ein klein wenig an „Terraforming Mars“, ist aber durchaus eigenständig und kein Klon des Schwergewichts.

Etwas pummelig ist meine Madame schon. Aber immer vorneweg, um für uns die besten Regionen abzugrasen. Direkt neben ihr ein Ei, das für uns noch wertvoll werden könnte.

Neben den Spezies gilt es, die Lebensräume zu beachten. Denn statt Ressourcen einzusammeln, dürfen wir immer wenn wir ein Besatzungsmitglied platzieren, alternativ eine Karte aus der Auslage, also eines der wundersamen Wesen nehmen. Aber nur, wenn sein Lebensraum mit dem, an dem wir stehen, identisch ist. Immer mal wieder werden neue Lebensräume aufgedeckt, was zu neuen taktischen Möglichkeiten, aber auch mehr Entscheidungen führt. Wir haben außerdem Kescher, die es uns erlauben, zusätzliche Ressourcen oder Sonderfähigkeiten der einzelnen Plättchen zu sammeln oder zu aktiveren und einige Karten verfügen über Energieressourcen. Nutzt man diese, kann man mächtige Aktionen machen, muss die Energie danach aber erstmal mühsam wieder auffüllen.

Auf unserem Tableau managen wir Ressourcen und lagern unsere Eier. Hier können wir auch Boni freischalten, wenn wir Erfolge absolvieren.

Letztlich dreht sich aber alles um Synergie. Denn wir wollen möglichst gleiche Arten und Lebensräume sammeln, um zum einen einen Kartenpool zu schaffen, der uns immer mehr Boni für bestimmte Karten bringt. Und natürlich wollen wir als erster die Erfolge ergattern. Denn wer zuerst kommt, der sichert sich einen der begrenzten Plätze und natürlich mehr Punkte als die, die das Ziel später erreichen. Die Kartenauslage besteht aus sechs Karten und es ist herrlich zu beobachten, wie Spieler sich um vermeintlich gute Synergien rangeln, während ein anderer durch ein geschicktes Austauschen der Auslage alle Planungen zunichte macht. Ja, man kann schon seine Strategie verfolgen, aber ob die bösen Rivalen einen dass auch in Ruhe durchziehen lassen, das steht hier auf einem ganz anderen Blatt. Ein angenehmer, nie zu böser Ärgerfaktor, der für die nötige Würze vor allem in Partien mit drei oder vier Spielern sorgt.

Neben der Verknüpfung der Karten mit den Lebensräumen sind es die Eier, die das Spiel mechanisch hervorheben. Genau 12 können wir sammeln, sie bilden wiederum Arten ab und können zum Erreichen von Erfolgen oder zum Nutzen von Karteneffekten ausgebrütet werden. Dass man sie im Lauf der Partie auch wieder „unausbrüten“ und damit erneut nutzbar machen kann, das nehmen wir jetzt mal einfach hin, auch wenn der ein oder andere am Tisch hier schon ein wenig ob der biologischen Unmöglichkeit ins Schmunzeln kam. Aber hey, es sind halt wundersame Wesen, warum sollten die sich nicht wieder ins Ei einbrüten können?

„Wundersame Wesen“ hat etwas geschafft, das nicht viele Spiele schaffen. Es schmeißt eine Reihe Vorbilder von eben jenem Terraforming Mars bis hin zu Everdell und auch etwas Vale of Eternity in einen Topf, rührt kräftig um und erhält dann fast einem Zaubertrank gleich eine Mischung, die in meinen Runden ausnahmslos gezündet hat. Das gibt es nicht oft, einer meckert eigentlich immer. Hier aber nicht, es wurde direkt nach der nächsten Partie gefragt. Und das, so scheint mir, hat mehrere Gründe.

Wer schnell ist, gräbt die meisten Punkte ab.

Zum einen die Optik. „Wundersame Wesen“ ist einfach hübsch. Ähnlich wie Navoria, das bei mir leider durchgefallen ist, hat es eine wahnsinnige Präsenz und die liebevoll gestalteten Holzfiguren und die putzig gezeichneten Karten gehen schlicht ans Herz auch der härtesten Männer, die sonst eher Mechs bei Scythe oder Monster in Gloomhaven über das Brett schieben. Aber putzig ist leider oft auch seicht, und auch hier hatte ich nach dem Studium der Regeln zarte Befürchtungen, dass das Spiel nach einigen Runden wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Mittlerweile war es aber wirklich oft auf dem Tisch und es entfaltet jedesmal neu seinen Reiz. Die Spielwelt ist variabel, die Kapitäne spielen sich herrlich unterschiedlich und letztlich gibt es immer was zu entdecken und zu optimieren. Dieses Gefühlt hatte ich zuletzt bei Vale of Eternity.

Apropos Kapitäne: Jeder von uns erhält einen, dessen Spezialfähigkeit ins Spiel kommt, sobald wir den ersten Erfolg geschafft haben. Und hier habe ich dann doch eine klitzekleine Kritik. Es scheint uns so, dass einige Kapitäne schlicht stärker sind als andere. Aber das mindert den Spielspaß keineswegs, Laune machen sie allesamt.

Überhaupt sollte man sich hier wieder der Tatsache bewusst sein, dass man ein kartengetriebenes Spiel spielt. Und das steht und fällt eben mit – nun ja – den Karten, die man erhält. Das ist bekannt aus anderen Spielen und letztlich lebt man damit oder eben nicht. Ich persönlich mag es und auch wenn ich mal mit meiner Starthand hadere, dann sehe ich zu, dass ich eben das beste raushole. Zumal eine Partie nicht zu lange dauert.

Wundersame Wesen ist ein Engine-Builder mit schlanken Regeln, der sich entfaltet. Die Insel und die Möglichkeiten wachsen. Der clevere Clou, dass einzelne Kartenarten Lebensräumen zugeordnet sind und die Mechanik der Eier machen daraus eine runde und durchaus innovative Spielidee. Dabei macht es kaum einen Unterschied, ob man zu zweit, zu dritt oder zu viert am Tisch sitzt. Neben dem Spielmaterial gebührt ein Extra-Lob der Anleitung, die nicht nur sehr umfangreich, sondern auch sehr gut gestaltet ist. Fragen blieben bei uns keine offen.

Wundersame Wesen von C. W. Yeom
Strohmann Games
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: Circa 120 Minuten
Preis: circa 65 Euro