Arche Nova

Der große Emu, der wäre schon schick. Denn wenn ich den prächtigen Vogel in meinem Zoo eine neue Heimat gebe, dann darf ich kostenlos eine Großvogelvoliere bauen. Und in die können dann direkt andere Arten einziehen und wertvollen Platz im Gehege frei machen. Aber ach, der große Emu ist nicht nur teuer, er erfordert auch gleich zwei Kontinentsymbole, von denen ich erst eins habe. Und schon stehe ich wieder mal vor der Entscheidung – spare ich auf den Emu, oder spiele ich erstmal kleinere Karten und suche so mein Glück?

Wer jetzt an den „Absturz des Deimos“ in Terraforming Mars denkt, der liegt nicht ganz verkehrt. Nicht zu Unrecht wird „Arche Nova“ immer wieder mit dem Klassenprimus verglichen. Karten ansammeln, Vorgaben erfüllen und möglichst mächtige Karten spielen – das Prinzip des Zoobuilders gleicht schon arg dem Siedeln auf dem Mars. Aber was soll’s? Zum einen hat „Arche Nova“ genug eigene Ideen zu bieten, zum anderen muss das Rad nicht neu erfunden werden, um ein gutes Spiel zu kreieren. Im Gegenteil – wer „Terraforming Mars“ kennt, hat es erfreulich leicht, sich in das Regelwerk von „Arche Nova“ einzufinden. Denn das ist überraschend schlank und eingängig. Lediglich die Symbolik muss zu Beginn häufiger mal nachgeschlagen werden, sitzt dann aber irgendwann nach den erste Partien auch flüssig und die Downtime, die zunächst noch herrscht, schwindet. Und dennoch – so viel sei vorab verraten – erweist sich „Arche Nova“ nicht nur in Maximalbesetzung von vier Spielern als beste Unterhaltung. Gerade im Duell zu zweit macht es einen Riesenspaß, darum zu rangeln, wessen Pöppel sich zuerst auf den beiden Leisten kreuzen. Denn dann – auch das kennt man schon aus Titeln wie „Raja of the Ganges“ – endet das muntere Zoobauen.

Aber wie gründet man denn nun einen erfolgreichen Zoo? Längst reicht es nicht mehr, Attraktion um Attraktion aneinander zu reihen. Zum einen muss der spärliche Platz genauestens verplant werden. Je größer das Tier, desto größer das Gehege, das es benötigt. Und nicht nur das, einige Arten wollen am Gebirge oder am Wasser sesshaft werden. Und bitte immer nur ein Tier pro Gehege, es sei denn, eine Fähigkeit erlaubt mehrere Bewohner. Und natürlich dürfen auch Streichelzoo, Kiosk und Pavillon nicht fehlen. Der Besucher will schließlich auch mal entspannen und die Seele baumeln lassen.

Am Anfang erhält jeder ein paar Startkarten, aus denen er sein Anfangsdeck auswählen muss. Außerdem zwei individuelle Spielziele, von denen im weiteren Verlauf eine ausgewählt wird. Zunächst sollten Karten gebaut werden, die günstig sind, nicht allzu viel Platz verbrauchen und im Idealfall weitere Boni bringen. Das kann schnöder Mammon beim Ausspielen bestimmter Karten sein, aber eben auch zum Beispiel die Möglichkeit, verschiedene Tierarten in einem Gehege unterzubringen.

Platz ist in der kleinsten Hütte, aber eben nur für eine Tierart. Zu Beginn ist es noch leicht, die Gehege unterzubringen. Wer aber dann schon einen Fehler macht, bekommt später mächtig Probleme.

Das Plättchenlegen im Zoo hat was von Tetris. Denn ständig muss man im Hinterkopf haben, welche Formen eventuell noch anzubauen sind. Da ist es ärgerlich, wenn man das große Gehege am Ende nicht mehr legen kann, schlicht weil man sich verplant hat und der Platz fehlt.

Der Kniff, der „Arche Nova“ von einem Titel wie „Terraforming Mars“ abhebt, ist dabei ein ganz besonderer: Jeder Spieler hat fünf Aktionen, die unter seinem Tableau im Kategorien von 1 bis 5 ausliegen. Je höher die Zahl, desto mächtiger die Aktion. Und wer schon Schwierigkeiten hat, sich beim Plättchenlegen für die richtige Variante zu entscheiden, der wird hier wohl verzweifeln. Denn ständig gilt es abzuwägen: Was tue ich wann? Baue ich jetzt ein kleineres Gehege oder warte ich ab, bis die Aktion wertvoller und damit mächtiger ist? Spiele ich jetzt auf Nummer sicher ein Tier aus oder warte ich, bis ich mehrere spielen darf? Nehme ich eine Karte aus der offenen Auslage in der Mitte oder mehrere? Und wann mache ich am besten meine Kaffeepause?

Diese Kaffeepause ist Kniff Nummer zwei, der so vorher meines Wissens noch nicht in einem Spiel zu finden war. Wer Pause macht, treibt eine Kaffeetasse (!) eine Zählleiste nach oben. Ist die Tasse oben angekommen, endet die aktuelle Runde und es gibt Einkommen. Schon wieder ein drohendes Dilemma: Selbst Pause machen, Einkommen und Boni einstreichen oder warten, bis mein Gegner das macht. Der richtige Zeitpunkt, das Rundenende einzuläuten, kann massiv über ein Fortschreiten auf einer der beiden Leisten entscheiden. Und zu allem Überfluss darf man maximal vier der fünf Aktionen noch auf Stufe 2 aufwerten, auf der sie erheblich mächtiger werden. Das würde man natürlich am liebsten mit allen tun, aber eine muss außen vor bleiben. Na, ob man da die richtige Wahl getroffen hat?

Artenschutzprojekte sorgen dafür, dass man auf dieser Leiste wichtige Punkte einfährt. Hier wird die Ansiedlung von Pflanzenfressern belohnt.

Apropos Leisten. Hier gibt es Punkte für die Attraktionen. Das Prinzip dabei ist einfach – je spezieller das Tier, umso attraktiver wird mein Zoo. Klar, man kriegt das Gelände auch mit Streichelzoo und Kleinvieh voll, nur will das niemand wirklich sehen. Aber allein auf den Wow-Effekt setzen führt nicht zum Sieg. Denn die zweite Leiste belohnt den Artenschutz, den wir durch unseren Zoo fördern. Hier gilt es, spezielle Projekte abzuschließen. Hab ich zum Beispiel ein Tier von jedem Kontinent im Zoo, darf ich mir satte Punkte einstecken.

Dazu kommen weitere Möglichkeiten wie die Kooperation mit Universitäten oder Partnerzoos auf anderen Kontinenten, für die aber erstmal Mitarbeiter in die weite Welt geschickt werden müssen. Einige Tierarten verfügen außerdem über die Möglichkeit, dem Gegner in die Suppe zu spucken. Überhaupt muss der frisch gebackene Zoodirektor erstmal Diverses freispielen Mehr Mitarbeiter, mehr Platz für Universitäten, mehr Einkommen und und und… Jeder Zug muss einfach gut überlegt sein. Und dann kann es trotzdem sein, dass das Glück einfach nicht mitspielt. Wie erwähnt zieht man neue Karten in der Regel aus der offenen Auslage. Diese Karten können mir so gar nicht in den Kram passen. Zwar wechseln diese, einige werden im Verlauf günstiger, neue kommen hinzu – aber dennoch bleibt ein gewisses Glücksmoment vorhanden. Wer dem so gar nichts abgewinnen kann, der sollte hier auf den ein oder anderen Frustmoment stoßen. Ich hingegen finde es gut gelöst, da so kein Spiel dem anderen gleicht und es immer irgendwie möglich ist, sich auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen. Lediglich zu Beginn kann es arg frustrieren, wenn man ausschließlich sehr starke Karten auf die Hand erhält, die lange brauchen, bis sie spielbar werden. Wenn der Gegner dann eine gute Anfangskarte nach der nächsten zieht, dann schaue auch ich schonmal sparsam aus der Wäsche. Aber mal ehrlich – wie häufig kommt das schon vor und wer mag, kann hier per Hausregel Abhilfe schaffen.

Tiere kosten nicht nur Geld, sie verlangen auch spezielle Bedingungen. Dafür liefern sie selbst weitere Symbole, die dann wiederum Voraussetzung für andere Karten sind,

Eine kleine Vorwarnung an Neulinge: Für die ersten Partien muss ordentlich Zeit eingeplant werden. Ich würde sogar so weit gehen, eine Erstpartie nur in Zweierbesetzung zu empfehlen. Es braucht einfach, alle Möglichkeiten zu durchblicken und den eigenen Zug gut zu überdenken, gerade weil die Konsequenzen gravierend sind und „Arche Nova“ Fehler in der Planung so gut wie gar nicht verzeiht. Es ist für mich daher auch ein waschechtes Kennerspiel mit Tendenz zum Expertenspiel. Aber eins, das es schafft, die vielfältigen Elemente nicht zu überfrachten, sondern so elegant zu verzahnen, dass es sich nach einer Eingewöhnungszeit wie aus einem Guss spielt. Hat man einmal ein wenig raus, welche Aktion wann gut ist und wie man seinen Zoo am besten plant, dann können die einzelnen Züge wie ein Uhrwerk ineinandergreifen und es tut sich genau dieser Flow auf, den ein Spiel braucht, um eben ein Stückchen besser zu sein als nur gut. „Arche Nova“ gelingt das nahezu mühelos. Und am Ende war es bei uns jedes Mal durchaus knapp, niemand ist hoffnungslos von dannen gezogen. Hat man eine gewissen Routine, gibt es noch Zoopläne für Fortgeschrittene mit besonderen Bedingungen, diese habe ich aber noch nicht ausreichend getestet.

Das Material ist von guter Qualität. Die Illustrationen sind sicher Geschmackssache, hier scheiden sich die Geister. Ich persönlich mag die realen Darstellungen und finde es im Gesamtkonzept stimmiger. „Arche Nova“ will ein erwachsenes Spiel sein, dass das wichtige Thema Artenschutz nicht nur als aufgesetzten Hintergrund transportiert, sondern die Botschaft durchaus auch ernst nimmt. Da finde ich es nur passend und konsequent, Fotos statt Zeichnungen zu verwenden. Aber das ist wie immer reine Geschmackssache. Die Anleitung ist sehr strukturiert und durch diverse Auflistungen sind alle Symbole schnell zu finden. Lediglich zweimal mussten wir etwas länger suchen.

Arche Nova von Matthias Wigge

Feuerland

Für 1 bis 4 Spieler

Dauer: Circa 120 Minuten (in den ersten Partien deutlich mehr)

Preis: Circa 50 Euro