Wenn ich jetzt nur noch eine Knallerbse ziehe, dann explodiert mein Kessel. Und mein schöner Trank ist nur noch rauchige verdorbene Suppe, die über den Boden fließt. Ok, letzteres passiert natürlich nicht, aber zumindest schießt mir dieses Bild in den Kopf. Denn wir sind Quacksalber und mühen uns redlich darum, ein besonders potentes Gebräu zu erschaffen, das uns möglichst viele Siegpunkte bringt. Und nicht nur das – liegen die richtigen Zutaten an der passenden Stelle, dann können wir Boni wie zum Beispiel Rubine einstreichen.
Jede Zutat hat Punkte aufgedruckt. 1, 2, 3 (nur Knallerbsen) oder 4. So viele Schritte dürfen wir auf der Skala unseres Kessels voranschreiten. Und je weiter wir dort sind, umso mehr Siegpunkte erhalten wir und umso mehr Geld können wir für neue und im Idealfall bessere Zutaten ausgeben. Doch Vorsicht – liegen Knallerbsen mit einer Gesamtaugenzahl von mehr als 7 aus, dann kommt es zur Explosion und unsere Möglichkeiten für die Runde sind extrem eingeschränkt.
Die Zutaten reichen vom simplen Kürbis über eine Alraune, mit der wir Knallerbsen wieder in den Beutel werfen können bis hin zum mächtigen Totenkopffalter, der Rubine bringt. Außerdem geben uns die Zutaten eventuell die Möglichkeit, mit unserem Tropfen, im Grunde ein mobiles Startfeld, gleich weiter vorne im Kessel zu beginnen.
Die Zutaten kann man nun natürlich nicht willkürlich legen, denn bei Quacksalber von Quedlingburg handelt es sich um einen so genanten Bag-Builder. Diese werden zu Beginn jeder Runde gemischt und aus einem schicken eigenen schwarzen Stoffbeutel gezogen. So hat jeder sein Glück im wahrsten Sinn des Wortes selbst in der Hand. Da kommt schon Schadenfreude auf, wenn alle gleichzeitig ziehen und einer hat sein Schicksal zu sehr herausgefordert. Man kann jederzeit aufhören und nicht mitziehen. Gewinnt die Gier oder die Vernunft, darin liegt der Reiz bei Quacksalber von Quedlingburg.
Man kann außerdem darauf spekulieren, vor einem Rubinfeld zum Stehen zu kommen. Denn für zwei Rubine kann man entweder seinen Tropfen ein weiteres Feld nach vorne bugsieren oder aber seinen Trank wieder auffüllen. Mit diesem kann einmal pro Runde eine weiße Knallerbse zurück in den Beutel befördert werden, sofern es nicht genau die gewesen wäre, die den Kessel zum Explodieren gebracht hätte. Diese Erbse muss nämlich unweigerlich gelegt werden.
Am Ende jeder Runde gibt es die Boni für die Sonderfähigkeiten der Zutaten, Rubine, Siegpunkte und man kann neue Ingredenzien kaufen. Der Rundenbeste darf zudem würfeln und sich so eine Zusatzbelohnung sichern. Bitter ist eine Explosion auch, weil dann nicht mehr sowohl auf der Siegpunkteleiste vorangeschritten als auch gekauft werden kann. Wem das Missgeschickt passiert ist, der muss sich für eine der Optionen entscheiden.
Varianz kommt durch besondere Wahrsagekarten ins Spiel. Der Startspieler deckt jeweils zu Beginn einer Runde eine Karte auf. Diese enthält Vorgaben entweder direkt für den Start oder das Rundenende. So darf zum Beispiel nach fünf gelegten Chips noch einmal komplett neu gezogen werden oder aber am Rundenende darf der Beste zweimal würfeln. Das sorgt für Abwechslung und weitere Spannung.
Keine Frage, Quacksalber ist ein pures Glücksspiel. Natürlich kann man versuchen zu planen, welche Zutaten man kauft. Und man kann taktieren, wann man aufhört. Wenn man aber direkt fünf Knallerbsen aus dem Beutel fischt, dann nützt das alles nichts. Wer vom Start weg hinten liegt, der bekommt aber immerhin eine schöne Kompensation. Auf der Siegpunktleiste sind Rattenschwänze eingezeichnet. Je mehr davon zwischen einem selbst und dem Führenden sind, so viele Felder darf der Starttropfen für diese Runde nach vorne rücken. Das kann helfen, nicht sofort zu sehr ins Hintertreffen zu geraten. Zumal auch ein scheinbar uneinholbar Führender nicht unbedingt das Glück bis zum Ende gepachtet haben muss. Und – auch das muss man aushalten können – Quacksalber lebt von der Schadenfreude, wenn der Kessel eines Rivalen explodiert.
Damit ist Quacksalber, immerhin „Kennerspiel des Jahres 2018“, ein klassicher Türöffner. Für mich persönlich weniger Kenner- als Familienspiel, das allen Spaß macht. Vielspielern genauso wie jüngeren Mitstreitern. Zumal dank einer zweiten Seite des Spielertableaus und der Zutatenbücher das Niveau noch angepasst werden kann. Das Material ist sehr hübsch aufgemacht und nutzt sich nicht schnell ab. Holztropfen, Stoffbeutel und Bücher aus dicker Pappe machen einiges her. Eine Runde hat eine ansprechende Dauer, so dass es sich durchaus machen lässt, am gleichen Abend noch eine oder zwei Revanchen durchzuspielen. Ich mag es einfach, wie Wolfgang Warsch es wie auch bei „Tavernen im thiefen Tal“ schafft, Spielmechaniken zu verknüpfen und dabei das Spiel nicht zu überfrachten und dennoch eine angenehme Komplexität zu schaffen, mit der man ganz viele Spielergruppen begeistern kann. Beide Spiele eignen sich bestens dazu, jemanden an das Thema Brettspiele heranzuführen, der sonst eher nicht dazu zu bewegen war. Auch dank der in beiden Spielen gelungenen Thematik und optisch äußerst gelungenen Umsetzung.
Ein Wort zur Kategorie – ich habe mich für Oldie entschieden, da mir zwei Jahre zu lang sind, um es noch wirklich als Neuheit zu betiteln. Letztlich ist es irgendwo dazwischen.
Die Quacksalber von Quedlingburg von Wolfgang Warsch
Schmidt Spiele
Für 2 bis 4 Spieler
Dauer: Circa 60 Minuten
Preis: Circa 30 Euro