Flamecraft

Nicht mehr ganz so neulich auf der Spiel doch! in Dortmund trug es sich zu, dass mein Junior und ich uns das ein oder andere auch unerwartete Spiel näher anschauten. Ich hatte mein Auge schon länger auf „Flamecraft“ geworfen, wurde ob es des „trashigen Titels“ vom spielenden Nachwuchs aber schon bei erster Erwähnung abgestraft. Bei der Messe jedoch, bei näherer Betrachtung, fand auch Junior Gefallen an dem Titel und flugs wurde dieser nicht nur ausprobiert, sondern auch direkt für gut befunden und gekauft.

Jetzt ist Juniors Meinung zwar wichtig, aber nicht die einzig relevante. Fast etwas schüchtern bot mich meiner angestammten Gruppe das Spiel an, in Erwartung sofortiger Ablehnung. Zu bunt, zu albern und überhaupt… Drachen die einem geregelten Tagwerk nachgehen? Pfui Deibel. Erneut folgte eine Überraschung, denn das Spiel kam aus dem Stand weg gut an und wird seitdem regelmäßig bei Spieleabenden nachgefragt.

Aus gutem Grund fange ich bei der Beschreibung mal nicht bei der Mechanik, sondern bei der Optik an. Denn hier punktet das Spiel schon deshalb ganz gewaltig, weil wir statt eines schnöden Spielplans eine Art länglichen Teppich finden, der eine Ladenstraße abbildet. Wobei die Ladenstraße erst noch mit Leben gefüllt werden will – zunächst stehen uns eine handvoll Startläden zur Verfügung. Und die sind mit putzigen Namen versehen wie „FedEchs“ oder „Joko und Glas“, Das kann und darf man auch albern finden, aber dann hat man vermutlich ein generelles Problem mit dem Setting von „Flamecraft“. Alles ist knuddelig, quitschbunt und voller ulkiger Anspielungen an Filme oder Serien. Ich kann aber auch jeden verstehen, für denn das zu viel des pastellfarbenen Guten ist. Geschmäcker sind verschiedenen, meinen trifft es.

Man kann „Flamecraft“ nicht vorwerfen, trist zu sein. Farbenfroh, verspielt und putzig präsentiert sich das Spiel, das dennoch keineswegs flach oder simpel ist.

Hinter der bunten Optik verbirgt sich ein gehobenes Familienspiel. Wir nutzen unseren Drachen, um einen Laden zu besuchen. Dort erhalten wir zunächst einmal Rohstoffe. Zum Beispiel Blätter, Fleisch oder Juwelen. Im späteren Verlauf auch unterschiedliche Dinge. Wir dürfen allerdings nie den selben Laden zweimal nacheinander aufsuchen, sondern müssen wechseln. Zu Beginn des Spiels haben wir nicht nur unsere Drachenfigur, sondern auch Handkarten, auf denen Drachen abgebildet sind. Diese Karten – Werkeldrachen genannt – sind jeweils einer Ladenart zugeordnet und können dort auf einen von drei freien Plätzen gelegt werden. Der Spieler, der die Karte abgelegt hat, erhält einen Boni. Das können weitere Zutaten sein, aber auch neue Drachen-Hankkarten oder so genannte Schmuckdrachen. Die geben ebenfalls direkt Boni oder lassen sich am Ende für Siegpunkte werten. Wir können nun auch die Feuerfähigkeit eines eingesetzten Werkeldrachens nutzen. Damit lassen sich zum Beispiel an Läden angelegte Werkeldrachen tauschen oder aber wiederum Zutaten oder Drachen erhalten. Und ist der letzte der drei freien Slots an einem Laden besetzt, dann wird ein neuer Laden aufgedeckt und gesellt sich in unsere Ladenstraße. Diese Läden haben in der Regel noch mächtigere Effekte in Form von Spezialfähigkeiten, die die Spieler wahlweise nutzen können, wenn sie einen Laden besuchen.

So genannte Schmuckdrachen geben Sofortboni oder am Punkte am Spielende. Es lohnt sich, die eigene Strategie ein wenig daran auszurichten.

Wofür brauchen wir nun die Zutaten? Mit diesen lassen sich Verzauberungen für die Läden kaufen und ausspielen. Mit diesen Verzauberungen steigt nicht nur der Ertrag, den ein Laden abwirft, sondern wir erhalten die Feuerfähigkeit aller dort abgelegten Drachen. Wer also einen Laden mit drei ausgelegten Drachen verzaubert, darf sich über satte Boni freuen.

Bei „Flamecraft“ heißt es, viel im Auge behalten. Welche Verzauberung möchte ich ausführen und was brauche ich für Rohstoffe? Denn einfach horten ist nicht – die Anzahl dieser ist für jeden Spieler auf ein Maximum begrenzt. Was man dann nicht in seiner Runde ausgibt, verfällt womöglich. Und darüber hinaus gilt es, die Aufgaben der Schmuckdrachen zu erfüllen. So soll man zum Beispiel eine bestimmte Anzahl eines Rohstoffs sammeln oder es aber schaffen, dass bestimmte Werkeldrachen speziellen Läden zugeordnet sind. Das funktioniert nur durch die Feuerfertigkeit tauschen, und wehe, ein Mitstreiter tauscht dann einfach wieder zurück. Denn ein Plan ist nur so lange gut, wie ein Kontrahent ihn nicht vereitelt. Zwar ist „Flamecraft“ keinesfalls hoch konfrontativ, aber einen gewissen Ärgerfaktor gibt es doch. Vor allem beim Gerangel um die besten Verzauberungen. Kaum habe ich meine Zutaten mühsam zusammen geklaubt, schnappt der Nebenmann mit den Zauber vor der Nase weg.

„Flamecraft“ ist nicht allzu schwer, dennoch gibt es genug zu grübeln, dass es schon mal zu Downtime kommen kann. Zumal man nur bedingt vorplanen kann. Hat man aber den Dreh raus, spielt es sich doch recht flüssig, wenn auch in Bestbesetzung in beträchtlicher Länge. Drei Spieler sollten es aber schon sein, zu zweit kommt einfach zu wenig Rivalität um die Verzauberungen auf. Zudem eignet es sich hervorragend, den ein oder anderen Gelegenheitsspieler mit der putzigen Optik und dem knuffig-harmlosen Thema an etwas schwerere Titel heranzuführen. Erwähnenswert ist auch der Solomodus, in dem man neue Karten und Möglichkeiten freischaltet.

„Flamecraft“ von Manni Vega
Cardboard Academy
Für 1 bis 5 Spieler
Dauer: circa 90 Minuten
Preis: Circa 40 Euro