Ich hab es versaut. Ich hab meinen Bürgern erzählt, dass sie alle am Ende des Tages eine warme Unterkunft haben. Ja, ich konnte die Gerechtigkeit, die ich dafür erhalten habe, gut brauchen. Letztlich habe ich uns mit der Entscheidung umgebracht. Denn als die Nacht hereinbricht und meine Bürger die versprochenen Häuser oder wahlweise Heizmaterial fordern, kann ich nichts davon bieten. Der Sturm hat zuvor meine Zelte umgeweht und die Materialien habe ich zuvor ausgegeben. Mit dem Tag endet auch unser Versuch, die erste Mission von „Frostpunk“ erfolgreich zu bewältigen.
Dies ist keine fundierte Rezension, kein tief greifender Test und erst recht werde ich hier nicht die Regeln erklären. Denn Frostpunk ist kein Spiel, Frostpunk ist großes Kino, von dem ich gefühlt erst den Trailer gesehen habe. Nach 4,5 Stunden liegen wir alle tot im Schnee, der Generator verstummt und eins ist klar – uns wurde ein bockschweres kooperatives, aber episches Spielerlebnis versprochen. Und das haben wir wahrlich erhalten!
Bei „Frostpunk“, das auf dem PC-Spiel basiert, führen wir einen kleinen Trupp Überlebende durch die eisige Wildnis einer Steampunk-Welt. Oder besser, wir versuchen, in der kalten Ödnis rund um einen Generator zu überleben. Wir haben Arbeiter und setzen diese ein, um Holz, Kohle und vielleicht mal die ein oder andere seltene Batterie zu sammeln. Wir bauen mit den äußerst knappen Materialien. Wir forschen im Rahmen unserer Möglichkeiten, wir halten den lebensspendenden Generator am Laufen und wir können Späher ausschicken. Und wir fällen Entscheidungen, und das gefühlt am laufenden Band. Und zwar keine, die wie so oft in Spielen nur scheinbar ein Dilemma sind, sondern solche, die echte Konsequenzen nach sich ziehen bis hin zum Tod, die sich niemals einfach nur richtig anfühlen. Alles hat seine Schattenseiten – wir können zum Beispiel die Kinderarbeit per Gesetz einführen. Dann sammelt der Nachwuchs für uns, kann aber krank werden. Oder wir bauen ein Kinderwohnheim. Das bietet vier Kindern Schutz und Unterkunft, aber uns fehlt schlicht die Manpower, um wichtige Aufgaben zu erledigen.
Und überall lauert der Tod. Sind zu viele Personen krank, sterben wir. Ist der Hunger zu hoch, sterben wir. Schwindet alle Hoffnung – wie es nach meiner Fehlentscheidung der Fall war – sterben wir. Nehmen Wut, Apathie oder Gier Überhand, sterben wir. Und fliegt uns der Generator gar zweimal um die Ohren, tja dann sterben wir ganz sicher auch.
Ich habe erst einen sehr kurzen Einblick gewonnen und trotzdem juckt es mich in den Fingern, meinen Eindruck hier zu verfassen. Denn es ist sehr lange her, dass ein Spiel mich dermaßen gepackt hat vom Start weg. „Frostpunk“ von Adam Kwapinski, der auch schon für die Brettspielumsetzung von „This War is Mine“ verantwortlich zeichnet ist angefangen beim Material über den riesigen Generator bis hin zum Artwork stilistisch extrem gut gelungen und bleibt dabei kein Blender. Die Kälte ist spürbar, ich leide mit meinen Meepeln und ich will einfach nicht versagen als verzweifelter Anführer, der eigentlich doch nur vieles falsch machen kann, weil die Welt feindlich ist. Denkt man zu Beginn, dass es gar nicht so schwer ist, das Missionsziel zu erreichen, wird im Verlauf alles knapper. Es mangelt immer an Holz, an Kohle, an Nahrung und an Hoffnung. Nie kann man es allen recht machen, immer droht irgendwo der Untergang und kein Spiel vorher hat es dermaßen geschafft, mich so in seinen Bann zu ziehen. Ich will überleben, ich will für meine Untertanen sorgen und die Welt lässt mich einfach nicht. Ich will moralisch handeln, aber wie, wenn ich meine Bürger nicht mehr versorgen kann.
Kurz – ich will noch viel, viel mehr davon. Und ja, ich bin bereit, noch ganz oft einen eisigen Tod zu sterben, weil ich jetzt schon weiß, wie episch es sich anfühlen wird, wenn man dieses Spiel, das eigentlich ein Erlebnis ist, in die Knie gezwungen hat.
„Frostpunk“ von Adam Kwapinski
Frosted Games
Für 1 bis 4 Spieler
Dauer: variiert
Preis: Circa 100 Euro