Monster und Süßigkeiten – das passt ungefähr so gut zusammen wie eine Slayer-CD als Musikuntermalung zum Weihnachtsfest. Denkt man zumindest. Wer es aber mal ausprobiert, wird eventuell eines Besseren belehrt – in Sachen Süßigkeiten für Monster und Slayer für Weihnachten.
In „Kingdom’s Candy Monsters“ von Joe Slack und Zemilio jedenfalls machen sich in unserem Auftrag kleine oder größere Monsterchen auf die Suche nach Süßigkeiten. Ok, anders als die Meute an Halloween, die von Tür zu Tür zieht, dürfen unsere Monster die Süßigkeiten nicht behalten, sondern drücken diese schön brav an ihren Herrn und Meister – also uns – ab. So ganz leer gehen sie aber auch nicht aus, denn als Gegenleistung respektive Entlohnung erwarten sie regelmäßig Futter in Form von Zuckerwürfeln. Und das zu sammeln ist nun wiederum unsere Aufgabe, in dem wir die Karten einer allgemeinen Auslage klug managen.
Das klingt jetzt nach einem Kinderspiel. Kinder können durchaus – ab zwölf Jahren laut Verlagsangabe – mitmachen, aber kinderleicht ist das ganze keineswegs. Mein Sohn zum Beispiel hatte nach der ersten Partie einen passenden Vergleich auf Lager. „Das ist ja wie in einer Mathestunde“. Tatsächlich fällt der Einstieg erstmal schwer.
Es gibt viel zu rechnen, denn nach und nach landen Karten in unserer Auslage, die uns Boni bringen, weitere Süßigkeiten, mehr Zucker, sich in mehrfacher Ausführung aufwerten und die in der Wertungsphase in Form einer schwarzen Süßigkeitskarte abgehandelt werden wollen. Dem Spieler stehen pro Runde verschiedene Aktionen zur Verfügung. Er kann ein Monster kaufen, das wiederum Zucker kostet und dafür besondere Boni mitbringt. Fähigkeitskarten – ebenfalls gegen Zucker zu erwerben – können entweder an ein Monster gebunden werden und triggern, wenn spezielle Voraussetzungen erfüllt sind. Zum Beispiel, wenn eine besondere Aktion genutzt wird. Wird das Monster aber aus dem eigenen Königreich entfernt, ist auch die Fähigkeit weg. Man kann die Fähigkeit auch behalten, dann bringt die begehrten Süßigkeiten Einfluss für mein Königreich. Je nach Art vergünstigen diese den Monsterkauf, ganze Sets haben nochmal mächtigere Effekte und bringen möglicherweise sogar weitere Süßigkeiten.
Es gibt eine ganze Reihe von Kombinationsmöglichkeiten, die erst einmal verinnerlicht werden wollen. Ganz wichtig: Man muss den Zuckervorrat im Blick haben. Denn können wir unsere mehr oder weniger furchteinflößenden Handlanger nicht bezahlen, dann hagelt es statt leckerer weißer Zuckerstücke schwarze Strafwürfel. Und die muss man dann auch erst einmal wieder loswerden, um am Ende nicht abgeschlagen hinten dran zu hängen. Vier solcher Karten sind im Ereignisstapel eingemischt. Wird die vierte Karte gezogen, ist das Spiel zu Ende. Ein schöner Kniff, denn so kann es einen ab einem gewissen Zeitpunkt jederzeit erwischen. Hat man dann noch auf ein Monster oder eine Fähigkeit spekuliert, ist die Partie vielleicht schon vorbei.
Die Mechanik fluppt nach den ersten Partien. Es braucht eine Weile, bis man alles verinnerlicht hat. Auch weil das Regelheft an der ein oder anderen Stelle nicht direkt schlüssig ist und wir ein paar mal genauer nachschauen mussten. Die Optik ist stark an japanische Mangas angelehnt, auch die Monsternamen scheinen direkt einem Pokemonspiel entnommen zu sein. Das ist Geschmackssache, ich finde es hübsch und sehr gelungen. Allein die Tatsache, dass die Startkarten an der Ecke von einem Monster angeknabbert wurden, ist ein liebevolles Detail. Vielleicht liegt es daran, dass ich eine Frau bin, aber mit solchen kleinen Einfällen hat man mich ja direkt auf dem richtigen Fuß erwischt.
Wer die sicherlich vorhandene Einstiegshürde gemeistert hat, der wird schnell Spaß daran finden, ganz eigene Strategien zu entwickeln. Denn es gibt in Kingdom’s Candy Monsters schlicht keinen Königsweg. Man kann sich zum Beispiel auf bestimmte Monsterarten stürzen, die sich gegenseitig stärken. Zwar werden die Karten aus einer Auslage gezogen, es scheint aber durchaus jeder Typ häufig genug vorhanden, dass man seine Strategie hier auch ohne zu großes Zufallsmoment aufbauen kann. Wieder andere setzen voll auf Süßigkeitensynergien und generieren so ihre Siegpunkte. Das Spaßige ist, aus den sehr wenigen Runden – maximal kann es zwölf mal hin und her gehen – das Beste zu machen. Dazu ständig die Sorge, noch genug Futter für die nächste schwarze Süßigkeitskarte auf der Hand zu haben.
Warnen möchte ich all die, die meinen, ein fluffiges, leichtes Familienspiel auf dem Tisch zu haben. Der Titel hat es trotz Knuddeloptik und Süßigkeitenthema in sich. Aufmerksam sein ist hier das A und O. Wer nicht mitrechnet, jede Kombination im Blick hat oder sogar übersieht, welche Süßigkeiten wo genau welche Vorteile bringen, der verschenkt schlicht den Sieg. Durch die vielen Möglichkeiten, die Variabilität und das in meinen Augen wirklich schicke und außergewöhnliche Design punktet der Titel. Meine Monsterchen jedenfalls werden sicher nicht nur zu Halloween rausgelassen, sondern gehen ziemlich bald wieder auf Süßigkeitenjagd. Und dann auch hoffentlich in noch größerer Runde. Aufgrund der Corona-Bestimmungen basiert dieser Test auf einem Zwei-Personen-Spiel. Wobei die Spielerzahl meiner Meinung nach am Ablauf nichts Wesentliches ändert.
Kingdom’s Candy Monsters von Joe Slack und Zemilio
Skellig Games
2 bis 5 Spieler
Dauer: circa 30 Minuten (die ersten Partien dauern durchaus länger)
Preis: circa 25 Euro