Fairydale floriert. So heißt das Städtchen meines Sohnes, das er in „My City“ liebevoll aufpäppelt. Nach und nach – denn „My City“ ist ein waschechtes Legacyspiel für Einsteiger. Dabei bedeutet Einsteiger keineswegs, dass es seicht ist. Im Gegenteil. Autoren-Urgestein Rainer Knizia gelingt der Kniff, ein eigentlich für Kennerspiele reserviertes Genre als Familienspiel zu verpacken. Einen Spoiler erlaube ich mir: völlig zu Recht ist „My City“ als Spiel des Jahres nominiert. Es hängt meines Erachtens den vielleicht favorisierten Mitkonkurrenten „Nova Luna“ um Längen ab.
Weitere Spoiler wird es hier nicht geben. Was schade ist. Viel zu gerne würde ich erzählen, was wir auf unserer Reise durch 24 Runden in acht Kapiteln so alles erleben. Aber das wäre unfair. Denn was gibt es Schöneres, als Runde um Runde einen Umschlag zu öffnen und sich überraschen zu lassen, welche neuen Regeln und welches neue Material da schlummert. Und da gibt es tatsächlich einiges in wunderschöner Aufmachung.
In „My City“ starten wir mit einem noch recht kargen Spielplan. Lediglich Wiesen, Wälder, Gebirge und einige Bäume und Steine sowie ein Fluß längs durch die Mitte sind dort zu finden. Der Fluß ist zunächst Ausgangspunkt unserer Bautätigkeit. Fast wie in Tetris bauen wir Teile in drei Farben möglichst so passend an, dass viele Wiesenflächen verdeckt werden, Bäume stehen bleiben und Steine überbaut sind. Ganz zu Beginn spielen die Farben (rot, gelb und blau) noch keine Rolle, im späteren Verlauf werden sie immer wichtiger.
Punkte sammeln ist in den ersten Runden noch überschaubar und recht einfach. Unbebaute Wiesen bringen Minuspunkte, ebenso wie Steine. Bäume hingegen Pluspunkte und jeder Spieler notiert seinen Fortschritt oben neben dem Namen seiner Stadt. Meine heißt übrigens heißt „Pitlochry“, eine Erinnerung an einen wunderschönen Schottlandurlaub vor vielen, vielen Jahren. „My City“ könnte aber überall spielen, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Ein Blick auf den Plan verrät, dass dort zuversichtlich noch etwas kommen muss. Da ist noch Platz für Felder und die Wiesen werden sicher auch noch neue Gebäude beheimaten. Das gilt sowohl für den Plan, auf den neue Elemente geklebt werden, als auch für die eigene Plättchen-Auslage, der neue Varianten hinzugefügt werden.
Gezogen wird nach Karte. Ein Stapel umfasst alle vorhandenen Plättchen. Das, was aufgedeckt wird, gilt es zu bauen. Darauf kann man verzichten und passen, das kostet aber direkt Siegpunkte. Derer hat man zu Beginn 10. Passt man, schmilzt der Punktevorrat zusammen. Aber es kann durchaus sinnvoll sein, auf die Auslage zu verzichten. Sperrige Plättchen decken zwar viel ab, beschränken aber auch die Möglichkeiten für weitere Bauvorhaben. Das bekannte Dilemma. Übrigens kann jeder Spieler auch jederzeit komplett seine Runde beenden, wenn er glaubt, nur noch nachteilig bauen zu können. Gebaut wird zeitgleich, Downtime gibt es höchstens in Ausnahmefällen, wenn eine Sonderregel das Ziehen der Reihe nach erforderlich macht.
Am Ende jeder Runde gibt es für den Gewinner so genannte Fortschrittspunkte. Wer am Ende die meisten hat, der ist Gesamtsieger von „My City“. Schöner Clou – die weiter hinten Platzierten erhalten Boni. Je weiter zurück, umso besser. So erhalten sie Vorteile für die kommenden Runden in Form von zum Beispiel weiteren Bäumen. Oder der Sieger der Runde muss sich eher unvorteilhafte neue Plättchen einstecken. So bleibt „My City“ ausgewogen und ausbalanciert, niemals ist jemand abgeschlagen. Außerdem sind die einzelnen Runden schön knackig, man sollte aber immer die drei zum Kapitel gehörenden Spiele am Stück absolvieren. So bleibt man im Thema. Wir jedenfalls hatten direkt nach dem Beenden eines Kapitels das Bedürfnis, den nächsten Umschlag zu öffnen und zu erfahren, was denn jetzt da auf uns wartet. Genau das sollte ein gutes Legacyspiel vermitteln – die nächste Runde nicht abwarten zu können und weiterspielen zu wollen.
„My City“ von Rainer Knizia
Kosmos
2 bis 4 Spieler
Dauer ca. 90 Minuten pro Kapitel
Preis: circa 32 Euro