Ostsee-Schach

Es gibt ja so Zufälle. Eines schönen Tages bekam ich eine Mail von Dirk Holdorf. Er hat Ostsee-Schach entwickelt und hat mich gefragt, ob ich es testen würde. Was Dirk nicht wusste – seit ich 12 Jahre alt bin, bin ich im Schach aktiv, so richtig im Verein. Meine Neugierde war natürlich sofort geweckt und die Ostsee-Variante kam wenige Tage später bei mir an.

Und – ich mach gar kein Hehl daraus – ich war skeptisch. Schach ist doch schon an sich eine gute Sache, warum also nochmal neu erfinden? Und wozu braucht es Seesterne und Möwen statt Dame und Springer? Sobald die kompakte Spieleschachtel aber bei mir auf dem Tisch lag, hatte ich ein gutes Gefühl. Das wirkt durchdacht, mein Gedanke nach dem Regelstudium. Aber wie etwas testen, wenn man Schach aus dem Eff-Eff kennt? Und schließlich soll die Ostsee-Variante auch Einsteiger locken. Also flugs den nicht-schachspielenden Sohn an den Tisch geholt. Der war dann auch erstmal gut beschäftigt mit Aufkleber aufpappen und Regeln studieren.

Vorab – ja, es hilft, wenn man sich im Schach einigermaßen auskennt. Und ja – es macht auch dann Spaß, wenn man es eben nicht tut. Zugegeben, es dauert ein wenig, bis man verstanden hat, welche Figur wie zieht. Vor allem die Bewegung des Seehundes ist dem des Springers beim Schach nachempfunden. Klar im Vorteil ist der, der das schon aus der Schachspielpraxis kennt. Das ist aber ganz eindeutig kein Muss, denn die Varianz ist übersichtlich. Mal vorwärts, mal diagonal und wirklich nur beim Seehund wird es etwas komplexer. Das verstehen auch Spieler, die noch nie in die Materie Schach eingetaucht sind.

Im Gegensatz zum Schach geht es hier aber nicht um das Matt, sondern um Siegpunkte. Derer drei an der Zahl. Die erhält man, wenn man eine drei Scheiben hohe Figur baut oder das gegnerische Ende des Spielfeldes erreicht – analog zur Bauernumwandlung im Vorbild. Türmchen baut man, indem man seine eigene Figur den Bewegungsregeln entsprechend auf eine gegnerische Figur zieht. Der Einwand meines Sohnes zu Beginn, warum man das dann tun sollte, wenn man damit dem Gegner doch Tür und Tor für eine Dreierfigur öffnet, erledigte sich nach den ersten Partien schnell. Denn wagt es der Gegner, seine eigene Figur oben auf zu setzen, um die Dreierhohe zu erreichen, wandert die gesamte Figur – also alle drei Elemente – aus dem Spiel. Und das bringt zwar im ersten Moment Punkte, für den weiteren Verlauf fehlen aber wertvolle Spielsteine. Es heißt also durchaus abwägen, wie man das ganze taktisch weiter angehen will. Das Spiel endet im übrigen auch, wenn ein Spieler nur noch eine Figur auf dem Feld hat. Gerade geübte Spieler werden den Fall häufiger erleben.

Ostsee-Schach ist hübsch und hat eine erstaunliche Tiefe. Es liefert genau das, was es sein will – eine Schachvariante für Einsteiger, die Lust auf mehr macht. Wenn man so will ein Gateway-Game für die Mutter aller Brettspiel (Entschuldige bitte Go).

Ostsee-Schach von Dirk Holdorf

Für zwei Spieler

Dauer: circa 30 Minuten