Das große Zahnrad dreht sich unerbittlich weiter. Zwei Zeitalter ziehen an uns vorbei, jeweils zwei Mal pro Zeitalter dürfen wir ernten, müssen aber auch unsere Arbeiter ernähren. Und rückt das große Zahnrad ein Stück vor, sind fünf weitere, kleine Zahnräder davon abhängig, auf denen unsere Arbeiter darauf warten, auf lukrativen Positionen zu landen.
„Tzolkin – Der Maya-Kalender“ ist mächtig. Ein echtes Fest für die, die gerne grübeln. Denn im Gegensatz zu anderen Workerplacement-Spielen setzen wir unsere Mannen nicht einfach nur ein und können dann sicher sein, genau den Ertrag zu erhalten, auf den wir spekulieren. Hier sind wir vom Zahnrad abhängig. Denn es kann passieren, dass sich dieses nicht nur einen Schritt, sondern gleich zwei dreht. Und dann rauscht eventuell genau das Feld an uns vorbei, das eigentlich Ziel unseres Arbeiters hätte sein sollen.
Wir starten ganz klassisch mit einer begrenzten Anzahl dieser Arbeiter, einigen wenigen Rohstoffen und jeder Menge Motivation. Außerdem hat jeder Spieler zu Beginn die Wahl, aus diversen Plättchen eines zu wählen, das ihm einen individuellen Startvorteil verschafft. Zu tun gibt es in der Folge einiges. Da sind nicht nur die fünf Zahnräder mit ihren Einsetzmöglichkeiten, sondern auch noch die Fortschrittsleiste, die uns zum Beispiel die Maisernte erleichtert oder den Aufstieg in Kulten erleichtert. Derer gibt es in Tzolkin drei, je höher wir dort am Ende rangieren, umso mehr Siegpunkte gibt es. Dazu kommen noch Gebäude und Monumente, die wir erwerben können und die uns deutliche Vorteile bringen. So ermöglichen es zum Beispiel einige Gebäude, am Ende pro Arbeiter weniger Mais als Nahrung abgeben zu müssen.
Das erste Zahnrad bietet schlicht die Rohstoffe Mais und Holz. Auf dem zweiten Zahnrad winken weitere hochwertige Waren, darunter Stein und Gold oder der wichtige Kristallschädel. Nur dieser kann auf dem letzten Zahnrad gegen eine ganze Reihe Siegpunkte eingetauscht werden. Das dritte Zahnrad ermöglicht Forschung und Bau von Gebäuden. Das vierte schließlich bietet neben wertvollen Tauschaktionen auch die Chance, in einem Kult scheller aufzusteigen.
Der besondere Kniff: Jeder Spieler muss, wenn er an der Reihe ist, entweder Arbeiter einsetzen oder wieder aus dem Spiel nehmen. Wie viele, das bleibt ihm überlassen. Beides gleichzeitig geht aber nicht. So ist „Tzolkin“ ein ständiges Abwägen, ob man noch auf das nächste gute Feld schielt oder den Arbeiter lieber aus dem Rennen nimmt, um den geringeren Bonus einzustreichen, diesen aber dafür in der nächsten Runde einsetzen zu können. Oder man opfert einen Arbeiter, um in der nächsten Runde sicher Startspieler zu sein und so das aktuelle Lieblingsfeld zu besetzen.
Auf der Fortschrittsleiste gibt es diverse Möglichkeiten, in unseren Runden hat sich aber die Leiste als besonders beliebt heraus kristallisiert, durch die es möglich war, auf eigentlich bereits abgeernteten Feldern weiter Mais zu sammeln. Denn ohne Mais geht bei dem Mayas nichts. Er dient als Zahlungsmittel für die Arbeiter, von denen man im Verlauf des Spieles – ganz typisch für ein Woker-Placement – weitere dazu bekommen kann. Diese dann auch versorgen zu können ist das A und O und gerade in den ersten Runden ist Mais absolute Mangelware.
Auf welches Zahnrad man vor allem den Fokus legt, das bleibt den Spielern überlassen. Wem aber in „Tzolkin“ rein gar nicht überlassen bleibt, das ist der Zufall. Das Spiel ist taktisch durch und durch, der Faktor Glück existiert schlicht nicht. Alles ist in gewissen Bahnen planbar und es bleibt lediglich die Frage offen, ob der Startspieler das große Zahnrad ein- oder zweimal dreht. Das ist jedem Spieler aber auch nur einmal pro Partie erlaubt, so dass sich dieses ungewisse Moment auf einige wenige, dafür aber umso wichtigere Situationen beschränkt.
Und da wären wir auch schon bei dem, was einige als Kritik sehen, andere wiederum begrüßen: „Tzolkin“ verzeiht nichts. Eine Unachtsamkeit, einmal falsch geplant und das ganze mühsam geplante Kartenhaus fällt in sich zusammen. Nein, „Tzolkin“ ist kein Spiel für Anfänger und auch kein Familienspiel. „Tzolkin“ ist ein reinrassiges Expertenspiel und die Runde darf kein Problem damit haben, dass ein Mitspieler mal länger über seinen Zug grübelt. Wer früh ins Hintertreffen gerät und zum Beispiel die Maisernte vernachlässigt oder Gebäude für überflüssigen Humbug hält, der hat es extrem schwer, am Ende noch vorne mit dabei zu sein.
Wer sich darauf einlässt, hat aber enormen Spaß daran, an der Strategie zu knobeln und zu feilen. Nehme ich doch lieber einen zweiten Kristallschädel und sperre dadurch meinen Arbeiter für viele Runden? Wie plane ich den Aufstieg in den Kulten? Denn zumindest in zwei der drei Kulte sollte man seine Finger vorne mit im Spiel haben, um am Ende genug Siegpunkte einzustreichen. Gänzlich ohne Religion wird keinem fleißen Maya-Volk Erfolg beschieden sein. Und auch die Entscheidung, ob man einen Arbeiter einsetzen soll, um Startspieler zu werden, ist eine tiefgreifende strategische Option.
„Tzolkin“ ist zudem noch sehr hübsch gestaltet. Das Spielbrett muss zunächst aus verschiedenen Teilen zusammen gebaut werden, damit die Zahnräder auch ineinander greifen. Das Material ist hochwertig und die Zeichen sind allesamt verständlich. Nur ganz selten mussten wir mal die ein oder andere Bedeutung nachschlagen, lediglich einmal bedurfte es einer kleinen Diskussion, wie ein Regelpunkt zu verstehen ist.
Obwohl das Spiel hoch komplex ist, frisst es keine Stunden. Man kann an einem Spieleabend durchaus noch ein zweites Mal mit seinem Mayavolk aufbrechen und versuchen, die Fehler aus der ersten Runde auszumerzen. Sofern einem nicht zu sehr der Schädel vom ersten Versuch brummt. Ein Hirnbrutzler, der sich lohnt und einfach richtig Laune macht – allerdings nicht in der Zwei-Personen-Besetzung. Die ist zwar möglich, wer aber das volle Potential erleben will, der sollte mit mindestens drei, besser noch vier Spielern am Tisch sitzen. In voller Besetzung macht „Tzolkin“ einfach am meisten Spaß.
„Tzolkin – Der Maya-Kalender“ von Daniele Tascini und Simone Luciani
CGE
2 bis 4 Spieler
Dauer: Circa 90 Minunten
Preis: Circa 35 Euro